Für Andreas Küttel ist im Prinzip täglich Neujahr. "Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens. Grund genug, um ihn zu feiern", lautet das Lebensmotto des 27-Jährigen aus Einsiedeln. Der hat nach der Halbzeit und vor dem Springen am Innsbrucker Bergisel am Donnerstag reelle Chancen, als allererster Schweizer die Vierschanzentournee zu gewinnen. Das hat nämlich nicht einmal der legendäre Walter Steiner geschafft. Der war zweimal Zweiter.
Gerade drei Punkte fehlen der Frohnatur nach dem Triumph im verregneten und verblasenen Neujahrsspringen zu Garmisch auf den Gesamtführenden Gregor Schlierenzauer. Küttels Landsmann Simon Ammann war mehr zugetraut worden. Aber der Doppelolympiasieger von Salt Lake City wurde in Garmisch Opfer der wechselnden Bedingungen und liegt nach Platz 18 schon 30,5 Punkte hinter Schlierenzauer. Den jungen Tiroler sehen nicht nur die Eidgenossen als Topfavoriten. "Wenn wir beide unsere besten Sprünge zeigen, dann springt Gregor weiter", sagt Küttel. Schließlich sei der Bergisel die Heimschanze des 16-Jährigen.
Magere Jahre
Nicht ganz so gelassen sehen die Finnen die Erfolge des Stubaitalers. "Die wahre Stärke von Schlierenzauer wird man erst erkennen, wenn er sein Erwachsenengewicht erreicht hat", grantelte deren Cheftrainer Tommy Nikunen, und warf damit ein schon beantwortet geglaubte Frage neu auf - ob im Skispringen da und dort nicht zu sehr nach Erfolgen gehungert wird. Im Lager der Finnen wird jedenfalls verbreitet, dass Schlierenzauer krankhaft untergewichtig sei. "Die mageren Jahre haben wieder begonnen", titelte das finnische Boulevardeblatt Ilta Sanomat und berichtete, dass Schlierenzauer bis zu fünf Kilogramm zu wenig wiege. Der junge Mann sei schlicht krank.
Krank war der Aufsteiger der Saison nach seinem ersten Weltcupsieg in Lillehammer tatsächlich. Mit einem daraus resultierenden Eisenmangel begründete Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner dann auch die eher ungesund wirkende Gesichtsfarbe Schlierenzauers. Mittlerweile seien die Werte wieder normal, und auch am Gewicht gäbe es nichts auszusetzen. "Da kann gar nichts sein, dafür gibt es die BMI-Regel, gegen die sich einst just die Finnen so gesträubt haben", sagte Pointner. Seit 2004/05 und nicht zuletzt auf Antrag von ÖSV-Sportdirektor Anton Innauer gilt im Skispringen die BMI-Regel. Demnach müssen die Athleten einen Body-Mass-Index-Wert von zumindest 20 aufweisen. Die Zahl errechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. Danach richtet sich die nicht unwesentliche Länge der Ski. Bei Erfüllung der BMI-Norm darf die Maximallänge der Latten 146 Prozent der Körpergröße betragen. Bei Schlierenzauer wären das 2,58 Meter.
Wiegen mit Anzug und Schuhen