Straßenbelag und Reifen gibt es auch "lärmarm". Bloß sind sie nicht allzu bekannt. 71 Prozent der Lärm-Leidenden werden vom Straßenverkehr belästigt, ergab eine Studie

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Antworten auf die Frage: Wie hat sich Ihre persönliche Lärmsituation in den letzten Jahren verändert?

quelle: IFES, Grafik: STANDARD
Wien – Lärm ist in aller Ohren. Die Österreicher haben dermaßen genug davon, dass sie aus Eigeninitiative auch etwas dagegen unternehmen wollen. Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts IFES, die von den "Naturfreunden" in Auftrag gegeben wurde, ergab, dass sich die Lärmsituation für die meisten Österreicher in den vergangenen Jahren nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert hat.

63 Prozent der Wiener lärm-belästigt

800 Personen ab 18 Jahren wurden kurz vor Weihnachten telefonisch zu Lärm und Lärmbelästigung befragt. Durchschnittlich 46 Prozent der österreichischen Bevölkerung ist in ihrer Wohnumgebung von Lärm belastet. Während der Anteil der Lärmbelästigten in Kleingemeinden (bis 2000 Einwohner) 37 Prozent beträgt, steigt der Anteil mit der Bevölkerungsdichte. In Wien fühlen sich beispielsweise 63 Prozent der Bevölkerung von Lärm zumindest teilweise gestört. 71 Prozent der Störgeräusche entfallen auf den Verkehrslärm, 21 Prozent auf Nachbarswohnungen. Dem Fluglärm mit 14 Prozent folgen in der Unbeliebtsheitsskala Schienen-Verkehrslärm (zwölf), Baustellenlärm (elf), Lärm von Rasenmähern (zehn) und Lärm von Lokalen (vier Prozent).

Umziehen wegen Lärm

Lärm beeinflusst vor allem auch die Wahl des Wohnsitzes. Denn durchschnittlich hat sich die Lärmsituation verschlechtert, findet die Bevölkerung. Doch jene, die in den vergangenen Jahren umgezogen sind, haben mehrheitlich angegeben, dass die Lärmbelästigung zurückgegangen sei. Umso negativer sei das Bild bei jenen, die nicht umgezogen sind, schlussfolgern die Studienautoren. Nur sieben Prozent sehen ihre Lärmsituation verbessert (siehe Grafik).

61 Prozent der Bevölkerung lebe in einem Wohngebiet, wo der dauerhafte Verkehrslärm über den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt, meldete auch der Verkehrsclub Österreichs (VCÖ). Das seien fünf Millionen Österreicher, deren Gehirne sich zwar an den Lärm gewöhnt hätten, die Körper aber nicht, was beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen könne, sagte Martin Blum vom VCÖ.

83 Prozent zu Eigeninitiative bereit

Die Bevölkerung akzeptiere aber, dass sie für den Lärm verantwortlich ist und sage nicht als erstes, die Politik solle etwas machen, lobte Karl Frais, Vorsitzender der Naturfreunde Österreichs. Die Hälfte gab an, dass sie sich beim Reifenkauf für lärmärmere Reifen entscheiden würden, auch wenn diese mehr kosten würden. 83 Prozent der Österreicher ist nach Ergebnissen der Studie bereit, Eigeninitiative zu ergreifen, zehn Prozent lehnen dies "kategorisch ab". Lärmarme Reifen gebe es im Handel, und sie seien gar nicht teurer als herkömmliche Modelle, ergab eine Nachfrage. Bloß sei das nicht bekannt. Daher ist eine Forderung, nach deutschem Vorbild lärmarme Reifen zu kennzeichnen. Im Nachbarland ist es der "blaue Engel". 59 Prozent der Befragten sind neben der Lärmvermeidung durch lärmarme Reifen und Motoren auch für das Forcieren geräuscharmer Straßenbeläge. Lediglich neun Prozent sind für weitere Errichtung von Lärmschutzwänden.

Die Asfinag begrüßt diese Einstellung. Sie wolle die Forschung der Beton- und Asphaltproduzenten mit unterstützen, damit sie lärmarme Produkte anbieten können. Beton rentiere sich allerdings mehr, denn er nütze sich nicht so schnell ab wie Asphalt (Spurrinnen) und würde nicht so viele Baustellen verursachen. Andererseits sei er wegen der Dehnfugen, die alle sechs bis acht Meter notwendig wären, lauter, heißt es seitens der Asfinag. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD Printausgabe, 04.01.2007)