Wien – Einige Sekunden dauert es, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Erst dann erkennt man, dass es im "Nichtraucherzimmer" des Café Votiv, gleich hinter der Wiener Universität, durchaus einiges an Platz für Nikotingegner gäbe. Dass das neben den Toiletten gelegene Extrazimmer an diesem Mittwochvormittag leer ist, liegt nicht an der Rauchfreude der Österreicher – sondern an der Personalsituation. "Ich bin alleine hier. Ich würde gar nicht sehen, wenn ein Gast in dem Zimmer irgendetwas bestellen möchte", erklärt der Kellner, warum er das Licht in dem Nichtraucherbereich nicht einmal aufdreht hat und Rauchgegner und -freunde im selben Raum sitzen.
Schwierige Kontrolle
Oder im nahe gelegenen Café Stein: Dort gibt es ebenso einen abgetrennten Raum. Einmal im Monat finden dort aber Veranstaltungen statt, und die Nichtraucher müssen weichen. Zwei Beispiele, wie schwierig der geltende Nichtraucherschutz in Lokalen (siehe
In der Wirtschaftskammer ist Helmut Hinterleitner, Obmann der Fachgruppe Gastronomie, dennoch überzeugt, dass die Wirte die freiwillige Quote erfüllen werden. "Mitte Dezember haben 16.000 von den rund 18.000 betroffenen Lokalen die Zonen schon geschaffen gehabt", sagt er. Im Jänner und Februar werde evaluiert, dann melde man diese Zahlen dem Gesundheitsministerium. Und er pocht gleichzeitig auf die Pakttreue der Politik. Sollte, wie in den derzeitigen SP-VP-Verhandlungen angedacht, ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie kommen, wäre das für Hinterleitner ein Bruch der Vereinbarung. Und bedrohe das "Kulturgut Wirtshaus und Kaffeehaus", betont er. "Das Dorfwirtshaus ist das zweite Wohnzimmer des Bürgers" und nicht nur reines Speiselokal, bei einem Rauchverbot drohe das Aussterben.
Noch ist es nicht so weit, und die Wirte haben mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Tischschilder mit durchgestrichenen Zigaretten sind derzeit ein Verkaufsschlager – und somit Mangelware. Viele Lokale haben sich erst im letzten Moment damit eingedeckt. "Es war gar nicht so leicht, noch welche zu bekommen", erzählt Frau Marion, Kellnerin im Zwillingsgwölb, einem zweigeschoßigen Lokal zwischen Universität und Neuem Institutsgebäude.
Kein Nebelwetter
Im Kellergeschoß sind nun gleich die ersten fünf Tische für Nichtraucher reserviert, die vorgeschriebene Quote ist damit erfüllt. Gegen den herüberziehenden Qualm aus der Raucherzone ist zwar kein gesetzliches Kraut gewachsen, aber dank der gut funktionierenden Entlüftung herrscht in dem Citylokal ohnehin kein Nebelwetter. Es gibt sogar ein Extrazimmer ohne Aschenbecher, aber "auch viele Nichtraucher wollen nicht abgeschottet von den anderen Gästen sitzen", gibt Frau Marion zu bedenken. Sie ist seit 18 Jahren Kellnerin im Zwillingsgwölb und raucht selbst. Im Gastgewerbe rauche ihren Erfahrungen zufolge "fast jeder". Ob es unter den Gästen einen Trend zur Nikotinenthaltsamkeit gebe? "Die Aschenbecher sind heute genauso voll wie vor zehn Jahren", zieht Frau Marion Bilanz. Sie glaubt nicht, dass die neuen Regelungen in der Gastronomie etwas daran ändern werden.
Im Gesundheitsministerium hofft man naturgemäß auf das Gegenteil, wie Jürgen Beilein aus dem Kabinett von Maria Rauch-Kallat (ÖVP) klarstellt. Zu einem möglichen Totalverbot will er noch nichts sagen. Und wie zufrieden man mit der jetzigen Regelung ist, wird sich erst zeigen, wenn die Statistik der Wirtschaftskammer da ist – deren Angaben auch mit einer "qualifizierten Stichprobe" überprüft werden sollen. Schließlich sei es sinnlos, einen Nichtrauchertisch mitten im Raucherraum zu platzieren. Oder ein Nichtraucherzimmer nicht aufzusperren. (Michael Möseneder, Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe, 04.01.2007)