Bild nicht mehr verfügbar.

Nancy Pelosi, die toughe Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, hat gut lachen. Präsident Bush ist für die letzten Jahre seiner Amtszeit nicht zuletzt auf ihr Wohlwollen angewiesen.

REUTERS/Larry Downing
Washington - Das US-Repräsentantenhaus wird zum ersten Mal in seiner Geschichte von einer Frau geführt: Nancy Pelosi von den oppositionellen Demokraten wurde am Donnerstag per Akklamation in das einflussreiche Amt des "Speakers" gewählt, das mit dem des Nationalratspräsidenten zu vergleichen ist. Anschließend erklärte die 66-jährige Kalifornierin: "In diesem Haus mögen wir verschiedenen Parteien angehören, aber wir dienen einem Land." Erstmals seit 1994 übernahmen die oppositionellen Demokraten am Donnerstag die Kontrolle beider Parlamentskammern.

Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses ist nach dem Präsidenten und Vizepräsidenten (der zugleich auch Vorsitzender des Senats ist) der ranghöchste Politiker der USA. Der Fraktionsführer der Republikaner, John Boehmer, bezeichnete die Wahl seiner Kontrahentin Pelosi als "Meilenstein in der amerikanischen Geschichte". Sie ließ sich nach ihrer Wahl von Abgeordneten und der Zuschauertribüne feiern, mit dabei waren auch der Schauspieler Richard Gere und der Sänger Tony Bennett.

"Heute ändern wir die Richtung unseres Landes"

US-Präsident George W. Bush sieht sich zum ersten Mal in seiner vor sechs Jahren begonnenen Amtszeit mit einer demokratischen Parlamentsmehrheit konfrontiert. Im Bewusstsein der mit der Parlamentswahl vom 7. November veränderten Verhältnisse sagte Pelosi: "Heute ändern wir die Richtung unseres Landes." Sie streckte aber zugleich die Hand nach den Republikanern aus. Die Abgeordneten teilten ihren Nationalstolz und beteten gemeinsam für die Männer und Frauen in der Armee, erklärte die energische Irak-Kriegsgegnerin und erbitterte Kritikerin der US-Regierung. Die Republikaner hatten die Kongresswahl vor allem wegen des Chaos im von amerikanischen Truppen besetzten Irak verloren.

Versöhnlich äußerte sich auch der neue Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid. "Unsere Bemühungen gehen dahin, dass wir in einer offenen Weise und überparteilich daran arbeiten, die Probleme des amerikanischen Volks zu lösen", sagte er. "Ich fühle mich ermutigt davon, dass Präsident Bush heute sagte, er wolle überparteilich zusammenarbeiten", sagte Reid nach einem Treffen mit dem US-Präsidenten am Donnerstag. "Ich hoffe, er meint es auch so." Der demokratische Senator Charles Schumer aus New York äußerte sich skeptisch: "Wir hoffen, dass der Präsident mit 'Kompromissen' etwas anderes meint als das, was er in der Vergangenheit darunter verstanden hat."

Bush warnte die Demokraten vor einer Blockade des Landes durch parteipolitische Diskussionen. "Wenn sich der Kongress entscheidet, Texte zu beschließen, die nichts anderes sind als parteipolitische Erklärungen, wird er sich für die Sackgasse entschieden haben", schrieb er in einem Beitrag für das "Wall Street Journal". Mit seinem Vetorecht kann er jedes vom Kongress beschlossene Gesetz stoppen. Zur Umgehung des Vetos ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Parlamentskammern nötig, von der die Demokraten weit entfernt sind.

Zehn erstmals gewählte Senatoren, unter ihnen acht Demokraten, legten am Donnerstag ihren Amtseid ab. Aufgrund der Unterstützung von zwei parteilosen Senatoren haben die Demokraten im Senat eine knappe Mehrheit von 51 zu 49. Im Repräsentantenhaus stehen 233 Demokraten 202 Republikanern gegenüber. Von den 55 neuen Abgeordneten gehören 42 der Demokratischen Partei an. Der Senat wurde im November zu einem Drittel neu gewählt, das Abgeordnetenhaus zur Gänze.

Mit einem ehrgeizigen 100-Stunden-Programm wollen die Demokraten gleich in den ersten Arbeitssitzungen in der kommenden Woche mehrere Gesetze verabschieden. Dazu zählen die Heraufsetzung des Mindestlohnes, die Ausweitung der Stammzellenforschung und das Ende der Subventionierung großer Ölkonzerne. Als Reaktion auf eine Reihe von Bestechungsskandalen in den vergangenen Monaten kündigte Bushs neue Gegenspielerin Pelosi an, Geschenke von Lobbyisten und Reisen von Abgeordneten in Firmenflugzeugen zu verbieten. Als einen ihrer ersten Schritte soll auch ein Untersuchungsausschuss überprüfen, ob die Bush-Regierung vor dem Irak-Einmarsch Informationen manipuliert hat, um die US-Bürger von ihrer Entscheidung zu überzeugen. (APA/AP/dpa/Reuters)