Wo verläuft die Trennlinie zwischen Information und Pietätlosigkeit? Überschreitet die Ausstrahlung jenes inoffiziellen Handyvideos von der Hinrichtung Saddam Husseins die Grenzen des moralisch Vertretbaren? In den Medien ist nun eine Diskussion darüber entbrannt, ob und in welchem Ausmaß das Todesvideo, das ohnehin längst im Internetportal You Tube veröffentlicht wurde, ausgestrahlt beziehungsweise in Online-Portalen verlinkt werden darf.

Zurückhaltend

Die großen Fernsehanstalten gaben sich bei der Ausstrahlung großteils zurückhaltend - keiner zeigte die über zwei Minuten lange Videoaufnahme vollständig. Während sich die italienische RAI bei der Berichterstattung auf die offiziellen Bilder beschränkte und die französischen Sender France 3 und I-Tele sogar jene Szenen herausschnitten, in denen Saddam Hussein mit der Schlinge um den Hals zu sehen war, zeigte der ORF ebenso wie BBC, ARD und ZDF sehr wohl Ausschnitte aus dem umstrittenen Handy-Video.

"Angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Irak ist diese Tatsache von großer politischer Relevanz für die Zukunft des Landes."

Der ORF begründete die Ausstrahlung der Handysequenzen in diversen "Zeit im Bild"-Sendungen damit, dass sie die Hinrichtung des Diktators durch Anhänger des radikalen Schiitenführers Moktada al-Sadr "dokumentieren". "Angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände im Irak ist diese Tatsache von großer politischer Relevanz für die Zukunft des Landes." Das Video sei mit großer Zurückhaltung eingesetzt worden und die eigentliche Hinrichtung sei "selbstverständlich" nicht zu sehen gewesen.

Zu sehen ist das Szenario indes ungeschönt und ungekürzt bei der Videobörse You Tube, wo bereits weit über eine Million Menschen die letzten Atemzüge des Diktators angeklickt haben. Manche Online-Portale setzten auf ihren Hompages in Zusammenhang mit der Berichterstattung einen Link zu besagtem Video. So, neben CNN, Spiegel.de und BBC auch der Online-Kurier, wo nun eine heftige Debatte zwischen dem Redakteursausschuss der Tageszeitung und der Online-Redaktion entstanden ist.

"Web-Tipp"

Insbesondere die Tatsache, dass der Link zur Hinrichtung mit dem Hinweis "Web-Tipp" versehen wurde, erregte die Gemüter der Print-Redakteure, die der Online-Redaktion in einem Schreiben einen "sorglosen Umgang mit journalistischen und moralischen Werten" und eine "Häufung von Geschmacklosigkeiten" vorwerfen und deshalb einen "Journalistischen Korrektur-Mechanismus" fordern. Kurier-Online-Chef Diethold Schaar verwies gegenüber der APA darauf, dass es darüber "sicherlich hausintern eine Diskussion" geben werde. Die Tatsache, dass andere seriöse Onlinemedien den Link ebenfalls angeführt hätten, sei aber auch für den Online-Kurier "eine gewisse Leitlinie".

Anders die Linie bei den Online-Ausgaben der Tageszeitungen "Der Standard" und "Die Presse". Gerlinde Hinterleitner, Vorstand des Online-"Standard", betonte, man habe weder im Print- noch im Online-Bereich Bilder von der Hinrichtung oder vom toten Saddam gezeigt. "Wir haben sogar versucht, in den Foren zu unterbinden, dass dort Links gepostet werden. Wir zeigen keine Leichen - das ist pietätlos", so Hinterleitner.

Peter Krotky, Geschäftsführer der Presse-Online, erklärte, dass man ebenfalls "bewusst" keinen Link zum Hinrichtungsvideo gesetzt habe, da es zwecks Berichterstattungspflicht nicht notwendig gewesen sei. Das Zeigen von Leichen will er allerdings auch nicht gänzlich ausschließen. Es gäbe Ereignisse, bei denen man, um sie begreiflich zu machen, nicht darum herum käme, Tote zu zeigen. Das müsse man allerdings von Fall zu Fall mit Seriosität und ethischem Gespür entscheiden, meinte Krotky. (APA)