Wien - In Österreich fehlen tausende Facharbeiter. Deshalb sollen die bisher strengen Regeln für Arbeitsbewilligungen für Menschen aus den östlichen EU-Nachbarstaaten gelockert werden, haben die Koalitionsverhandler von SPÖ und ÖVP laut Wirtschaftsminister Martin Bartenstein vereinbart. Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) geht jetzt noch einen Schritt weiter und plädiert dafür, für Facharbeiter überhaupt die bestehende Quotenregelung aufzuheben. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) sieht dafür jedoch keinen Grund: Vorrang müsse die Ausbildung der Jugendlichen im Inland haben.

Schon jetzt würden 7.000 bis 8.000 Facharbeiter in Österreich fehlen, und diese Zahl könnte sich noch mehr als verdoppeln, sagte Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der WKÖ, am Samstag im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio: "Wir rechnen damit, dass das 2007 und 2008 bis auf etwa 15.000, 16.000 mangelnde Fachkräfte ansteigen wird, die der Wirtschaft nicht zur Verfügung stehen."

Lockerung

Die Folge wäre, dass Aufträge abgelehnt werden müssten und das derzeit positive Wirtschaftswachstum nicht ausgenützt werden könnte. Deshalb sollten die Beschränkungen für Facharbeiter aus den EU-Nachbarstaaten gelockert werden, nämlich, regionale Kontingente aufheben, die Einkommensgrenze für Schlüsselarbeitskräfte senken und die bestehende Quote, die nur eine beschränkte Zahl zuläßt, ändern. "Weshalb ich mir auch durchaus vorstellen könnte, dass wir in der jetzigen Situation überhaupt keine Quote mehr bräuchten, sondern es rein mit der Arbeitsmarktprüfung schaffen zu schauen, was benötigt der österreichische Arbeitsmarkt", so Gleitsmann.

Der ÖGB sieht keinen Anlass für die von der WKÖ geforderte Aufhebung der Facharbeiter-Quotenregelung. Der Leitende Sekretär im ÖGB, Richard Leutner, stellte zu den Äußerungen von Gleitsmann fest, dass in Österreich aktuell knapp 20.000 junge Menschen eine Lehrstelle suchen würden. "Die Arbeitgeberseite sollte lieber mehr Anstrengungen treffen, um die Jugendlichen im Inland auszubilden", so Leutner in einer Aussendung. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe sei in den vergangenen Jahren gesunken."

Die Wirtschaft solle ihren Fokus auf die Ausbildung der Menschen im Inland richten, so der Leitende ÖGB-Sekretär weiter. "Die jungen Menschen müssen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen." Dazu gehöre, dass sie eine hochwertige Ausbildung erhalten. Hier seien die Betriebe gefordert", sagt Leutner.

Dazu komme, dass in den nächsten Jahren auf Grund der bereits beschlossenen Anhebung des Pensionsanfallsalters und der Integration von Migranten mit zusätzlichen 70.000 Arbeitskräften zu rechnen sei. Deshalb bestehe kein Anlass zur Aufhebung der Quotenregelung für Facharbeiter. Die Forderung der WKÖ sei mit der aktuell schlechten Arbeitsmarktlage keineswegs in Einklang zu bringen, so der ÖGB. (APA)