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"Zeltstadt" in Bordeaux.

Foto: APA/EPA/PIERRE ALAIN
Paris - Der französische Premierminister Dominique de Villepin (UMP) hat versprochen, dass die Regierung bereits "in den nächsten Stunden" eine "Lösung" für alle Obdachlosen finden werde, die sich aus Protest in Zeltlagern in Paris und mehreren Provinzstädten versammelt haben. "Wir diskutieren mit den Vereinigungen, um die Probleme jener zu regeln, die auf der Straße sind, insbesondere am Kanal Saint Martin in Paris und die anderen", sagte de Villepin am Sonntag im Fernsehsender "Canal Plus".

Sozialminister Jean-Louis Borloo "ist um drei Uhr früh zu Bett gegangen", fuhr der Premier fort und betonte: "Ich denke, dass wir in den nächsten Stunden eine Lösung für jeden einzelnen finden werden". De Villepin versprach "punktuelle Maßnahmen" der Regierung, die in Zusammenarbeit mit den betroffenen Lokalkörperschaften gefasst werden sollen. "Man muss die Mittel finden, um die angebrachten Antworten geben zu können", sagte der Regierungschef und fügte hinzu: "Jedes muss das Seine dazu beitragen, einschließlich der Vereinigungen, man muss ein bisschen realistisch sein."

"20.000 Obdachlose"

"Es ist besser, zu zweit order dritt in einem Zimmer zu leben als am Rand eines Kanals, es ist weniger schädlich für die Gesundheit", betonte der Premier und meinte weiter: "Wir müssen die Lage im Laufe der Jahre verbessern, und diese Arbeit wollen wir bis 2008 machen". Laut de Villepin leben in Frankreich "20.000 Obdachlose" zu denen "etwa 100.000 Personen" hinzukommen, die in "inakzeptablen Wohnungen" leben.

Obdachlosen-Proteste auf Provinz ausgedehnt

Wie in Paris protestieren die französischen Obdachlosen mittlerweile auch in Straßburg, Bordeaux und weiteren Provinzstädten für verstärkte Hilfsmaßnahmen. Am Samstag sind auf Initiative der Bürgerinitiative "Les Enfants de Don Quichotte" ("Die Kinder von Don Quichotte") in der elsässischen Hauptstadt zwei Dutzend Zelte am Place Broglie vor dem Sitz der Präfektur errichtet worden, in denen Obdachlose beherbergt werden.

Unter Polizeieinsatz wurden die Zelte dann am Samstagabend zum Place de la Republique umgesiedelt. In der westfranzösischen Weinmetropole wurden in der Nähe des Grand-Theatre gerade an der Stelle, an dem sich kürzlich noch der Weihnachtsmarkt befand, 35 Zelte aufgestellt.

Protestlager

"Ich will, dass das Elend gezeigt und nicht vor der Öffentlichkeit versteckt wird", sagte eine Vertreterin des Unterstützungskomitees in Bordeaux, gegenüber Medienvertretern. "Wir werden das Lager erst dann abbrechen, wenn alle anwesenden Obdachlosen eine Unterkunft haben", sagte Nicole.

In Bordeaux haben sich etwa 100 Personen in dem Protestlager niedergelassen, die Obdachlosen in der Metropole werden allerdings auf 2.000 bis 3.000 geschätzt. Das Armenhilfswerk Emmaus sichert den Protestteilnehmern Verpflegung und sanitäre Anlagen zu. Auch im zentralfranzösischen Poitiers haben Obdachlose vor der Kirche Notre-Dame acht Zelte errichtet. Ähnliche Initiativen wurden aus La Rochelle (Charente-Maritime) und Dax (Landes) gemeldet.

Hungerstreik

Zu einer ersten Initiative der Art war es Mitte Dezember am Kanal Saint-Martin in Paris gekommen. Dort entstand eine Siedlung aus rund 200 Zelten für Obdachlose. Vertreter der Organisation "Les Enfants de Don Quichotte" traten vorübergehend in den Hungerstreik, um der Forderung nach mehr staatlicher Unterstützung Nachdruck zu verleihen.

Die Beigeordnete Ministerin für sozialen Zusammenhalt, Catherine Vautrin, kündigte am Donnerstag schließlich an, Hilfsorganisationen zusätzliche 70 Millionen Euro an öffentlichen Subventionen zu geben. Mit dem Geld sollen unter anderem die Aufnahmezeiten der Notunterkünfte für Obdachlose ausgeweitet und die Zahl der gut tausend Plätze in betreuten Heimen zur Wiedereingliederung innerhalb von zwei Monaten vervierfacht werden.

"Notlösungen"

Zahlreiche Politiker haben inzwischen eine Charta der Organisation zur Beseitigung der Wohnungsnot unterzeichnet. Die französische Regierung will damit das Recht auf eine Wohnung gesetzlich verankern und einklagbar machen. Auch die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Segolene Royal (PS) kündigte ein groß angelegtes Wohnungsprogramm an. Angesichts der hohen Zahl von Obdachlosen müssten "Notlösungen" gefunden werden, sagte Royal in ihrer Neujahrs-Ansprache am Donnerstag.

Jede Stadt müsse "eine Notunterkunft pro tausend Einwohner" zur Verfügung stellen. Zudem kündigte sie im Falle ihrer Wahl den Bau von 120.000 Sozialwohnungen an. Die Unterbringung von Obdachlosen zählt zu den Themen des Wahlkampfs in Frankreich, wo im kommenden Jahr von April bis Juni der neue Präsident und die Abgeordneten der Nationalversammlung gewählt werden. (APA)