Tradition wird in großen Teilen Rumäniens noch heute gelebt.

Foto: Rumänisches Touristenamt
Foto: Rumänisches Touristenamt
Simion Giurca, Direktor des Rumänischen Tourismusamtes, übt sich zur Zeit im Simultantelefonieren. Am linken Ohr beantwortet er Fragen zu einer Trekkingreise in die Karpaten, am rechten Ohr organisiert er seinen Terminplan. Zudem kommen laufend Interessenten ins Büro und wollen wissen, wie man am Besten mit dem Zug nach Rumänien kommt, wer Wandertouren anbietet oder wo man günstig ein Mietauto bekommt. Rumänien ist Partnerland der Ferien-Messe 2007, die vom 11. bis 14. Jänner in Wien stattfindet. Gemeinsam mit Bulgarien ist es seit 1. Jänner auch das jüngste EU-Mitglied. Rumänien stellt mit Sibiu (Hermannstadt) zudem die Kulturhauptstadt Europas und außerdem wurde das Donaudelta zur Europäischen Landschaft 2007/2008 gewählt. Eine Menge Gründe also, warum dieser Tage die Telefone heißlaufen. Was macht Rumänien so speziell, wo liegen die Reize dieses knapp 240.000 Quadratkilometer großen Landes mit seiner bewegten Geschichte?

Küssende Steine

Ganz in der Nähe von Bukarest, das 800 Kilometer oder zwei Flugstunden von Wien entfernt liegt, liegt einer der Gründe, warum Rumänien das Interesse bei Besuchern weckt: die Karpaten. Genauer die Südkarpaten, auch die Transsilvanischen Alpen genannt, die im Süden und Osten einen Halbbogen um Siebenbürgen spannen. Die Gebirgskette, deren höchster Punkt der Gipfel Moldoveanu mit 2544 Metern ist, lässt sich auf verschiedenen Wegen durchwandern. Höhenpässe führen in über 1200 Metern Höhe über die Berge und verbinden Siebenbürgen mit der Walachei.

Die bekannteste Gebirgsgruppe ist das Bucegi-Gebirge im Osten. Hier trifft man auf seltsame Steinmonumente, Monolithen mit fantasievollen Namen wie "Sphinx", "12 Aposteln" oder "Der Kuss der alten Weiber". Von Sinaia aus fährt eine Seilbahn hinauf zu den seltsamen Gebilden. Rumänien besitzt elf Nationalparks, sechs Naturparks und eine Reihe weiterer Naturschutzgebiete. Insgesamt sind 8,3 Prozent von Rumänien geschütztes Gebiet.

Aus Holz geschnitzt

Im Norden Rumäniens befindet sich die Provinz Maramures. Die Menschen, die hier leben, sind ihren alten Traditionen behaftet. Hier trägt man traditionelle Trachten, spielt auf traditionellen Instrumenten und baut traditionell mit Holz. Überall in den Tälern des Maramures-Gebietes stehen alte Holzkirchen, viele davon sind auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes. Die Tore der Bauernhäuser sind mit kunstvollen Schnitzereien verziert. Im Vasertal transportiert eine Schmalspurbahn Personen und - natürlich - Holz. Für die 45 Kilometer lange Strecke entlang des Flusses braucht der Zug, der von einer Dampflok gezogen wird, mindestens sechs Stunden. Alle acht Kilometer wird Wasser aus dem Fluss nachgetankt, der direkt neben der Bahntrasse entlang fließt. Die Wassertalbahn ist die letzte Waldbahn der Karpaten und ganz Mitteleuropas.

Bis in den Tod hinein hat Holz eine spezielle Bedeutung für die Maramureser. Auf knallblauen Holzkreuzen bekommt jeder am Ende eine Zusammenfassung seines Lebens aufgemalt. In kleinen, naiven Bildern wird eine typische Szene geschnitzt und gemalt, darunter steht ein kleiner Text, der in wenigen Worten die wichtigsten Charaktereigenschaften beschreibt. Dumitru Pop hat diese wichtige Aufgabe inne, er sucht das Holz aus, Schnitzt die Bildchen und schreibt den Text. Die Bewohner des Ortes bemühen sich darum, ihn schon zu Lebzeiten auszuhorchen, aber Pop gibt keine Auskunft. Letztendlich bekommt jeder den Nachruf, den er sich Zeit seines Lebens erarbeitet hat - sei es als Trinker, als Taugenichts oder als bescheidener Familienvater, die Wahrheit wird für die Ewigkeit in Holz geschnitzt.

Die Bibel der Armen

Ganz im Nordosten Rumäniens liegt die Provinz Bukovina, Im Kampf gegen osmanische Angriffe stiftete Stefan der Große für jeden errungenen Sieg einen Kirchenbau. Das besondere an diesen Kirchen sind die Außenfresken, die durchaus auch eine Zweck erfüllen. Da die Gebäude relativ klein sind, boten sie nicht allen Besuchern Platz und so verlegte man die Bibelgeschichte kurzerhand an die Außenfassade, damit auch die etwas zu sehen bekamen, die keinen Platz mehr in der Kirche fanden. Heute stehen die Klöster der Bucovina unter dem Schutz der UNESCO. Das Kloster Voronet wird auch die "Sixtinische Kapelle des Ostens" genannt. 1448 von Stefan dem Großen errichtet, zeigen sich an den Außenfresken geografische Eigenheiten wie etwa Erzengel, die an Stelle von Posaunen in Alphörner blasen und König David, der nicht die Harfe sondern die "Cobza" spielt, ein moldauisches Musikinstrument.

Schlammschlacht

In der Nähe von Buzau, nun wieder am Südostende der Karpaten, liegt das Dorf Berca. Von hier aus sind es nur noch zwei Kilometer Fußmarsch bis zum Mond. Eine aktive Vulkanlandschaft formt hier eine Landschaft aus kleinen, bis zu vier Meter hohen Kratern, in denen heiße Schlammmassen sprudeln und blubbern. Inmitten grüner Vegetation hat die Erde einen Weg gefunden, sich der Kohlenwasserstoffe zu entledigen, die in ihrem Inneren rumoren. Den Ursprung der Gase erklären die sich monoton bewegenden Erdölpumpen, die unaufhörlich den fossilen Schatz aus der Tiefe holen.

Foto: 
Rumänisches Tourismusamt

Rumänien besitzt das Privileg, ein Land mit einigen der urtümlichsten Landschaften und Regionen in Europa zu sein. Diese in ihrer Ursprünglichkeit zu erhalten und trotzdem einer wachsenden, interessierten Besucherzahl zugänglich zu machen, wird eine Gratwanderung für das junge EU-Land. Aber im Gratwandern sind die Menschen rund um die Karpaten ja ohnehin seit Jahrhunderten geübt. (ham)