Lehrjahre sind keine Herrenjahre, nie gewesen. Doch zeichnen sich die Ideen, die da rund um die Lehrlingsausbildung herumschweben, durch ein besonderes Maß an Ignoranz gegenüber dem aus, was jugendliche Lehrlinge benötigen. Die bräuchten nämlich ein Mehr an Wertschätzung und Unterstützung durch die Gesellschaft, nicht weniger. Und schon gar nicht bräuchten sie die turbokapitalistische Rute im Fenster, wie sie die Möglichkeit einer Kündigung mit dem Ende des ersten und zweiten Lehrjahres darstellt.

Denn die Fakten sind doch folgende: Die Entscheidung, Arbeiter zu werden und deshalb vorher eine Lehre zu machen, ist nicht besonders sexy. Der Status eines Arbeiters ist in unserer Gesellschaft ziemlich weit unten angesiedelt - darunter gibt es in der Berufshierarchie nur mehr den ungelernten Arbeiter. Fakt ist außerdem, dass Eltern, die es sich halbwegs leisten können, ihren Nachwuchs ins Gymnasium oder in eine weiterbildende Schule schicken.

Das hat zur Folge, dass Lehrlinge in der Regel aus wenig betuchten Familien kommen; nicht zu selten auch aus einem zerrütteten familiären Umfeld. Während jedem unbedarften Arztsöhnchen, jedem verwöhnten Töchterchen eines Rechtsanwaltes mit privat bezahlten Nachhilfelehrern unter die Arme gegriffen wird, gibt es kein Pardon bei Lehrlingen. Gymnasiasten können ein Schuljahr problemlos wiederholen, aber Lehrlinge werden hinausgeschmissen (das angekündigte verbesserte Auffangnetz ist da ja wohl Augenauswischerei).

Bei Lehrlingen handelt es sich, ebenso wie bei Gymnasiasten, um pubertierende Jugendliche, denen man Chancen geben muss, auch wenn sie sich mal danebenbenehmen. Doch schmeißt man sie raus, nimmt man ihnen die Zukunft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.1.2007)