Wien/Zagreb - Der US-Geheimdienst CIA hat vor einigen Wochen auf seiner Webseite ein belastendes Dossier über den mutmaßlichen kroatischen Kriegsverbrecher und ehemaligen Polizeikommandanten Tomislav Mercep, derzeit Präsident der Vereinigung des Veteranenverbandes der kroatischen Freiwilligen, veröffentlicht. Demnach werden ihm Kriegsverbrechen gegen die serbische Bevölkerung zwischen Ende 1991 und Anfang 1992 in Slawonien, in der Pokracka poljana, sowie den Städten Gospic, Vukovar und Zagreb. Mercep wollte die Anschuldigungen nicht kommentieren, berichtete die kroatische Nachrichtenagentur Hina am Dienstag.

Bericht war als vertraulich eingestuft

Der US-Bericht (F-2000-00762 - A LIST OF FIVE REQUESTS ON CROATIAN GROUPS) wurde bereits am 19. Oktober 1995 von den US-Behörden CIA, DIA (Militärgeheimdienst) und NSA (Nationale Sicherheitsbehörde) verfasst. Bis Ende 2006 wurde dieser Bericht als vertraulich eingestuft und war somit nicht der Öffentlichkeit zugänglich, erklärte die CIA gegenüber der Hina.

Demnach wird Mercep als kroatischer Parlamentarier und ehemaliger paramilitärischer Befehlshaber erwähnt, der unter einem weit verbreiteten Verdacht stand - auch in den Kreisen der kroatischen Regierung -, direkt für schwere Verletzungen der Menschenrechte und andere Gesetzesverstöße während des Kroatien-Krieges 1991 verantwortlich zu sein.

Nach 1991 wurden zahlreiche Vorwürfe gegen Mercep oder gegen seine direkt Untergebenen laut. Diese wurden teilweise von internationalen Organisationen oder überlebenden Zeugen bestätigt. Trotzdem hat die kroatische Regierung aus Angst vor seinen Förderern, den politischen Mächtigen der Rechtsparteien, die Untersuchung der Vorfälle nicht vorgenommen, heißt es in dem zehnseitigen US-Bericht.

Mercep gewann 1991 immer mehr an Einfluss, als er auf Anweisung der Regierungspartei HDZ ("Kroatische Demokratische Gemeinschaft") des Präsidenten Franjo Tudjman die ersten kroatischen Freiwilligenverbände formierte. Im selben Jahr wurde er zum Vertrauten der kroatischen Regierung für die Verteidigung der ostslawonischen Stadt Vukovar ernannt. In dieser Funktion soll er zahlreiche Verbrechen an der serbischen Bevölkerung begangen und befohlen haben, etwa Folter, Tötung und Verschleppung. Laut kroatischen Medienberichten wird ihm auch Waffenschmuggel vorgeworfen.

Die schwersten Vorwürfe gegen Mercep betreffen die Stadt Pakrac und die Pakracka Poljana im Zeitraum zwischen September 1991 und Ende März 1992. Laut einem Brief von Helsinki Watch an den verstorbenen kroatischen Präsidenten Tudjman aus dem Jahr 1992 werden ihm Folter und massenweise Liquidationen von gefangenen serbischen Kämpfern und der Zivilbevölkerung vorgeworfen sowie die Vernichtung von Privatvermögen.

Laut westeuropäischen Medienberichten wird die Zahl der vertriebenen Serben auf 75.000 geschätzt. 3.000 Serben sind verschwunden, 180 Dörfer sollen zerstört worden sein, so der US-Bericht weiter. Trotz dieser Anschuldigungen wurde Mercep zum Assistenten des Innenministers befördert. Außerdem wurden durch Interventionen seiner Vorgesetzten die Untersuchungen gegen ihn unterbunden.

"Zagreb wird wahrscheinlich auch weiterhin keine Untersuchungen gegen Mercep vornehmen und seine Kontakte zur Regierung verringern, in der Hoffnung, dass durch seine seltenen Auftritte das Interesse an seinem Fall sinken wird. Zagreb würde nur dann seine Position ändern, wenn es mit konkreten Beweisen für die Rolle Merceps bei den Verbrechen konfrontiert wäre, gemeinsam mit einem starken Druck der internationalen Gemeinschaft", folgerte die CIA 1995. (red/APA)