Die Bahn war Mitte des 19. Jahrhunderts ein Symbol des Fortschritts. Heute dagegen wird über die Bahn meist geschimpft: über Verspätungen oder komplizierte Ticketsysteme.
"Die Bahn hat ein ziemlich unmodernes Image", sagt Claus Seibt, Technologie- und Innovationsforscher und Mitarbeiter bei Austrian Research Center (ARC). In einer laufenden wissenschaftlichen Studie beschäftigt er sich mit Kollegen im Bereich System Research und mit HERRY Consult mit Innovationshindernissen im System Bahn. Um als moderne Möglichkeit der Fortbewegung akzeptiert zu werden, müsste sich die Bahn künftig noch viel mehr als Mobilitätskonzern sehen und verstärkt auf Inter- oder Multimodalität setzen. Seibt meint damit Angebote für Reisende, verschiedene Fahrzeuge zu kombinieren, um den Bestimmungsort zu erreichen: Bahn, Bus, Car-Sharing, Leihfahrrad, wie z.B. in der Schweiz - alles mit einem einfachen Ticketsystem.
Allerdings beschränken sich die Innovationshindernisse nicht nur auf ein Image-Problem. "Das System Bahn ist eine komplexe Organisation", erklärt Seibt. Jede Einführung und Verbreitung einer neuen Technologie sei mit enormen Investitionen verbunden. Man könne nicht an einem einzelnen Bahnübergang ein neues Sicherungssystem einführen, sondern müsse das flächendeckend tun.
Aus verkehrspolitischer Sicht sind Infrastrukturinvestitionen aber im Gesamtverkehrsrahmenplan meist auf Jahre verplant, auf institutioneller Ebene seien es komplexe Regulierungsprozesse und Zulassungsverfahren, die laut Seibt innovationshemmend wirken. Das liege auch an dem Sicherheitsanspruch, dem sich die Bahn stellen muss. Ein Zugunglück würde anders wahrgenommen, als eines auf der Straße. Letztlich macht man die öffentliche Hand verantwortlich, die eine Verpflichtung für gesellschaftliche Gefahrenabwehr hat.
Anderseits konnte das Team um Seibt beobachten, dass technologische Neuerungen häufig mit der Einführung einer neuen rechtlichen Regulierung einhergehen. Ein solches stellt sicher die politische Entscheidung dar, Europa auch auf der Schiene zu vereinen. Mithilfe des gemeinsamen Zugmanagementsystems ERTMS (European Rail Traffic Management System) sollen in den nächsten fünfzehn Jahren flächendeckend die rund zwanzig nationalen Signal- und Sicherheitssysteme ersetzt werden. Über ETCS (European Train Control System) soll die Geschwindigkeit der Züge automatisch nach Verkehrsaufkommen gesteuert und bei Bedarf abgebremst werden. Geortet wird der Zug über Signalkörper im Gleisbett, die mit der Leitstelle verbunden sind.
Gesamteuropäischer Einsatz
Während man die verschiedenen Stromsysteme in den europäischen Ländern bereits halbwegs im Griff hat - Lokomotiven, die mehrere Systeme befahren können, sind schon im Einsatz - befindet sich ETCM derzeit in den einzelnen Ländern in verschiedenen Ausbaustufen. Heute werden Innovationen natürlich in Hinsicht auf einen gesamteuropäischen Einsatz konzipiert. Zum Beispiel das Forschungsprojekt Safty Instability Noise (SIN) des Unternehmens Hottinger Baldwin Messtechnik. Mithilfe dieser Technik ist es möglich, früh Schienenfahrzeuge zu erkennen, die instabil laufen.
Solche Fahrzeuge verursachen nicht nur mehr Lärm, sie bewirken vor allem einen unnötigen Verschleiß der Gleise und können ein Sicherheitsrisiko darstellen. Zum Erkennen werden herkömmliche Gleiselemente mit einer speziellen Kombination von Sensoren bestückt.
Es kann sogar bestimmt werden, welcher Wagen bzw. welche Achse der schwache Punkt ist. "Geplant ist ein europaweiter Einsatz" sagt Projektleiter Dietmar Maicz. "Wir sind schon mit verschiedenen Bahnen im Gespräch und die Reaktionen sind sehr positiv."
Die Basisforschungen für dieses Projekt, wie auch die Studie "Innovationshindernisse", wurden über das Förderprogramm "Innovatives System Bahn" des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) unterstützt. Gesamtbudget: 8,4 Mio Euro.
Vorgestellt werden die Projekte im Rahmen der Veranstaltung "Künftige Forschungsschwerpunkte und -initiativen im Bahnbereich".