Wien - Wer Blut zum Überleben braucht, ist kein angenehmer Zeitgenosse. Und wer sich auf der menschlichen Kopfhaut festkrallt, dort hartnäckig Eier ablegt, schon gar nicht. "Pediculus humanus capitis" ist so ein lästiger Geselle, besser bekannt unter dem Namen Kopflaus.

In der Wiener Desinfektinsanstalt

Mit traurigen Augen sitzen sie da, schauen ängstlich drein mit einer grünen Plastikhaube am Kopf, während die giftigen Substanzen einwirken. Im Vorraum wird indes akribisch gekämmt und inspiziert. Mehr als zwei Drittel jener, die in die Wiener Desinfektionsanstalt pilgern, um sich dort von dem quälenden Juckreiz befreien zu lassen, sind Kinder. Der Rest sind Eltern oder nahe Angehörige.

Rund eine halbe Stunde müssen die Sprösslinge in dem kahlen Raum ausharren. So lange dauert das Einwirken jener Substanz, die sie sich nur mit gutem Zureden der Mutti von Männern in weißen Kitteln und Plastikhandschuhen ins Haar massieren lassen. Die Stimmung ist dementsprechend schlecht. "Das ist eine ölige Flüssigkeit, ein Nervengift. Nur so kann man die Läuse umbringen", erklärt Flaschner.

Zu spät bemerkt

Sehen tut man die Biester kaum, darum ist es auch meist zu spät, wenn man sie bemerkt: "90 Prozent fangen zum Kratzen an. Der Juckreiz entsteht beim Blut trinken", weiß Flaschner. Wie die Läuse ihre Opfer aussuchen, ist jedoch selbst Experten ein Rätsel. Tatsache ist, dass es Menschen gibt, die bei den Quälgeistern total beliebt sind, während andere als Objekt der blutigen Begierde völlig uninteressant scheinen.

Spezialshampoo aus der Apotheke

"Wir sind aber nur für die Härtefälle da. Mit einem Spezialshampoo aus der Apotheke kann man das auch zu Hause machen, man muss halt die Anweisungen genau einhalten", erklärt Anstaltsleiter Andreas Flaschner. Er und seine Mitarbeiter hatten früher vor allem im Winter viel zu tun, wenn dicke Wollmützen und Schals die Köpfe einhüllen und für ideales Brutklima der "Nissen" sorgen. Doch die Zeiten ändern sich: "Seit ein paar Jahren ist hier auch den Sommer über Betrieb", musste Flaschner feststellen.

Nistplatz - coole Kapperl

Baseballkapperln und sonstige "coole" Kopfbedeckungen lassen die Kopflauspopulationen nun auch in der warmen Jahreszeit jubilieren. Und so ein Kapperltausch unter Freunden führt schnell zur Verbreitung der maximal zwei bis drei Millimeter großen Krabbler. Dabei sind die ja gar nicht an häufigem Umzug interessiert. "So ein Kopfwechsel ist eher ein Irrtum", sagt Flaschner. Warum sollten die Läuse auch von einem Ort wegwollen, der mit rund 36 Grad Celsius und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit geradezu perfekte Lebensbedingungen bietet.

Gegenstände, Kleidung und Kuscheltiere

Mit Haarewaschen alleine ist es nicht getan. Darum sollten potenziell befallene Kleidungsstücke, Bettzeug oder Kuscheltiere entweder mit mindestens 60 Grad in der Maschine gewaschen oder ein paar Tage ins Freie gehängt werden. Das gilt auch für Gegenstände wie Bürsten, Kämme und Haarschmuck. Kopfläuse mögen nämlich weder Kälte noch Hitze. Außerdem können sie ohne regelmäßige "Blutmahlzeit" höchstens fünf Tage überleben.

30 Minuten später und ein Zimmer weiter hat die Tortur in der Desinfektinsanstalt ein Ende. Die grünen Hauberln werden abgenommen, das ölig-giftige Zeug aus den Haaren gewaschen. Auf die Kinder wirkt die Friseur-Atmosphäre beruhigend. Auch der Herr Anstaltsleiter scheint diesen Ort ganz gern zu mögen: "Gell, da schaut's aus wie beim Bundy." Doch ganz im Gegensatz zu begehrten Haar-Stylisten darf Flaschner für seine Behandlung lediglich einen Betrag verrechnen, der nicht einmal die anfallenden Kosten deckt. (APA)