Das wird noch heiter werden in der neuen Regierung: Alfred Gusenbauer will sich dafür einsetzen, dass Österreich „in vier Jahren besser dasteht als jetzt“. Vizekanzler Wilhelm Molterer will wiederum hart daran arbeiten, dass die ÖVP bei der nächsten Wahl wieder stärkste Partei wird. Beides für sich keine leichte Übung – in einer gemeinsamen Regierung sicherlich ein doppelt spaßiges Unterfangen.

Noch etwas teilen Rot und Schwarz, und das ist schon weit weniger amüsant: die außergewöhnliche Unverfrorenheit, den Bruch ihrer Wahlversprechen gleich im Regierungsprogramm festgeschrieben zu haben. Zwar war auch die bisherige Praxis nicht eben charmant: Das Blaue vom Himmel versprechen, dasselbe in das Regierungsprogramm schreiben und am Ende seufzen: „Leider, ist sich alles nicht ausgegangen.“ Aber der Zynismus, mit dem SPÖ und ÖVP ihre eigene Glaubwürdigkeit ohne Umschweife zu Grabe trugen, wird nicht eben dazu beitragen, dass die Wähler künftig in Scharen zu den Urnen laufen und Politik für ein an sich anständiges Gewerbe halten.

Die ÖVP etwa versprach vor der Wahl hoch und heilig, nicht für Steuer- und sonstige Erhöhungen zur Verfügung zu stehen. Und jetzt? Der neue Finanzminister Wilhelm Molterer darf sich über sprudelnde Mehreinnahmen bei der Mineralölsteuer und dem Roadpricing für Lkws freuen. Und die Newcomerin ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky bekommt gleich einmal einen schönen Polster von 150 Millionen Euro aus der Erhöhung der Kassenbeiträge. Allein im ersten Jahr ihrer Amtszeit will die neue Regierung so über 800 Millionen Euro einsparen. Da wird sich wohl auch die Freude der Österreicher in Grenzen halten, wenn sie dann 2009, pünktlich vor der nächsten Nationalratswahl, ein paar Steuergeschenke bekommen.

Die SPÖ wiederum hatte die Vision, Bildung zum Schwerpunkt ihrer Politik zu machen und die Studiengebühren abzuschaffen. Tatsächlich gibt es nun ein mageres Bildungsbudget für die neue Unterrichtsministerin, die obendrein den Infight mit den Lehrer-Gewerkschaftern erst lernen muss; ein Wissenschaftsministerium, das doch wieder unter VP-Ägide kam – und eine krause Lösung für die Studiengebühren, die Parteijugend und Studierende auf die Straße treibt. Skurril daran ist übrigens, dass der neue Wissenschaftsminister Johannes „Gio“ Hahn noch während der Koalitionsverhandlungen gemeint hatte, über eine Abschaffung der Studiengebühren sei mit ihm durchaus zu reden. Dank Alfred Gusenbauer hat sich das nun erübrigt.

Erstaunlich ist auch, dass die SPÖ-Frauen darüber jubeln, dass es nun wieder ein „eigenes“ Frauen- und Gleichstellungsministerium geben soll. Gleich zu Beginn des entsprechenden Kapitels im Regierungsübereinkommen ist von „Querschnittsmaterie“ die Rede. Soll heißen: Die neue Frauenministerin Doris Bures ressortiert im Bundeskanzleramt, hat kein eigenes Budget, und wenn sie etwas durchsetzen will, muss sie bei der schwarzen Familienministerin (Ausbau der Kinderbetreuung) oder dem ÖVP-Arbeitsminister (Förderung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt) nachfragen.

Unverständlich ist auch, dass mit Erwin Buchinger ein versierter Experte in Arbeitsmarktfragen als Sozialminister geholt wurde – und dann bekommt er diese Kernkompetenz gar nicht, weil sie nun doch beim langjährigen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verbleibt, der wohl wenig Gründe sehen wird, seine eigene Politik (die von der SPÖ stets scharf kritisiert wurde) wesentlich zu verändern.

Buchinger darf sich um alles kümmern, was irgendwie „sozial“ klingt. Das wird wohl auch die neue Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, Heidrun Silhavy, tun – wozu sonst braucht man eine Sozialexpertin so nahe am Zentrum der Macht.

Alfred Gusenbauer setzt also offenbar auf seine Kernwähler und Wilhelm Molterer darauf, dass sich so wenig wie möglich verändert. Nach einer „großen Koalition neu“ sieht das nicht gerade aus. (DER STANDARD, Print, 11.1.2007)