"Marie": Für netto 1800 Euro wechselte dieser Gelatinesilberabzug bei Lempertz in Köln den Besitzer.

Foto: Saudek

... dessen Arbeiten provozieren und polarisieren. Sein Marktwert hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich entwickelt.

Mit einem kleinen Bakelitapparat, der von 1939 bis 1954 hergestellten Kodak "Baby Brownie", beginnt Jan Saudeks Liebe zum Auslöser im Alter von 15 Jahren. Noch heute würde er sie verwenden, notiert er in seiner Online-Biografie, gäbe es die entsprechenden Filme dazu.

Die erste richtige Kamera, eine Flexaret 6 x 6, schenkt ihm seine Ehefrau Marie 1959. Die Entscheidung, Fotograf zu werden, fällt allerdings deutlich später, vorerst parallel zu einer Anstellung als technischer Fotograf in einem Grafikstudio und später einer Produktionsgenossenschaft, endgültig erst Mitte der 80er-Jahre. Zu dieser Zeit blickt er bereits auf Ausstellungserfolge in den USA und seiner Heimat zurück.

Im westlichen Europa beginnt er nur langsam, Fuß zu fassen, zuerst in Frankreich, dann auch in Deutschland und Großbritannien. Kritisch und misstrauisch beobachtete das kommunistische Regime seine zunehmende Popularität. Saudek avancierte neben Josef Sudek und Frantiaek Drtikol zum bekanntesten der tschechischen Fotografen. Und zum provokantesten. "Er wird vergöttert und verdammt, gefeiert und verworfen, verehrt und verabscheut", steht im Klappentext des im Dezember 2006 im Taschenverlag erschienenen, knapp 450 Seiten starken Bildbandes geschrieben. Mit seinem Aussehen, mit seinem Verhalten, mit unkonventionellen Auftritten – und nicht zuletzt mit seinen Arbeiten, die synonym für ein fotografisches Paralleluniversum stehen.

Seine zwischen Kitsch und Pornografie changierenden Werke seien sicher nicht jedem geheuer, merkt auch Johannes Faber an, der Saudek 1993 – neben Art Temporis in Klagenfurt – die bislang einzige Ausstellung in Österreich widmete. "Am ehesten ist seine Obsession mit Araki vergleichbar", so Faber, auch wenn sie dieser wiederum auf andere Weise auslebe. Die Resonanz auf die Ausstellung in den 90er-Jahren sei eine gute gewesen. Ein Zettel am Eingang zur Galerie wies auf die pornografischen Inhalte hin. Noch heute sind Saudek-Werke bei Faber im Angebot, in Preisklassen von 1500 bis 3000 Euro, Letzteres muss man vor allem für ältere und in niedrigeren Auflagen ausgeführten Arbeiten bereit halten.

Etwa für die frühen aus den späten 70er-Jahren, als "er die noch nassen Fotografien mit Eiweißlasurfarben kolorierte", nicht vergleichbar mit den jüngeren Filzstift-Ergänzungen diverser Assistentinnen. Im November 2006 wechselten Silbergelatineabzüge – aus den 80ern und aus der Mitte der 90er nachträglich koloriert – bei Villa Grisebach für moderate 1180 Euro den Besitzer; bei Lempertz fiel kurz darauf für Marie 1974, bezeichnet #75 Finished October 3, 1881, wie Saudek all seine Datumsangaben um 100 Jahre vordatiert, für netto 1800 Euro der Hammer.

Den höchsten Zuschlag im vergangenen Jahr verzeichnete Sotheby's in Amsterdam bei 2800 Euro für Hey Joe / White Woman (1985). Auch im Dorotheum gelangen immer wieder Arbeiten Jan Saudeks zur Versteigerung, über die Sparte Fotografie und auch im Rahmen der in Prag abgehaltenen Kunstauktionen. Und das scheint die internationale Kunstmarkt-Statistik in gewisser Weise zu schönen. Denn gemäß Artprice ist der österreichische Markt mit einem Anteil von 34 Prozent der weltweit umsatzstärkste, gefolgt von den Niederlanden (22 %) und Frankreich (13 %), während Deutschland nur drei Prozent hält. Gleichzeitig gelangen aber nur fünf Prozent des weltweit versteigerten Angebotes hier zu Lande auf den Markt. Die meisten Saudek-Arbeiten werden in Frankreich (32 %) und Deutschland (27 %) angeboten. Den bislang besten Jahresumsatz verzeichnet Artprice 2002, als weltweit 35 Werke für knapp 45.000 Euro versteigert wurden.

Am Kunstmarkt schaffte Saudek 1999 den Durchbruch. Dafür hatte 1998 die bisher Retrospektive in Los Angeles (Bergamot Station Center) gesorgt, die eine erste maßgebliche Indexsteigerung von 54 Prozent bescherte. 2000 folgte eine Präsentation im Carrousel du Louvre (Paris), die sich wiederum mit einer zeitversetzten Steigerung von 32 Prozent niederschlug. Hätte man 1997 100 Euro in ein Saudek-Werk investiert, würde sich der aktuelle Reingewinn auf satte 99 Prozent belaufen. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.1.2007)