Europa strategische Priorität
Auf allen Europa-Touren in den letzten Monaten hob Snow hervor, dass Europa für ihn strategische Priorität habe und er hier "viel Zeit" zu verbringen gedenke. Seit Mittwoch war er wieder in Wien und führte Gespräche mit Gewerkschaftern, Bankern und Partnern beim BAWAG-Deal. Er will, wie er auch heute versicherte, so oft wie möglich in Wien sein. Statt über die vergangenen BAWAG-Skandale, rote Zahlen und Sanierungsschritte spricht der hochrangige amerikanische Vermögensverwalter lieber über das "reiche Kulturerbe" in Österreich und der BAWAG als "Wiener Institution", die es auszubauen gelte. Auch bei der 1828 gegründeten und heutigen defizitären BAWAG-Tochter Bösendorfer spricht er jetzt von der großen Tradition - ohne sich über Verkaufspläne zu äußern. Klavier spielt er nicht, aber seine Frau. "Vermutlich bald auf einem Bösendorfer". Der Multimillionär John Snow selber spielt seit Jahrzehnten Golf.
Kommunikator für unpopuläre Themen
Chairman bei Cerberus ist Snow seit Oktober 2006. Der BAWAG-Deal war somit einer der ersten großen Fischzüge des Finanzexperten. Davor war er Politiker: Der einst von US-Präsident George W. Bush in die Regierung geholte Wirtschaftsexperte war erst im Mai 2006 nach nur dreijähriger Amtszeit als Finanzminister zurück getreten. Snow galt in der Regierung Bush als "Kommunikator", um schwierige oder unpopuläre Wirtschafts- und Finanzthemen zu "verkaufen". Er verfügt über ein internationales Netzwerk an Kontakten zu Polit- und Wirtschaftsführern und zum Großkapital. Daraus schlägt seit einigen Monaten auch der US-Fonds Cerberus mit Sitz in der noblen New Yorker Park Avenue Kapital.
Cerberus-Gründer Steve Feinberg hatte Mitte Oktober bei der Kür Snows zum neuen Chairman dessen "weitreichende Erfahrung auf dem Gebiet geschäftlicher Transaktionen wie auch sein scharfsinniges Verständnis wirtschaftlicher Tendenzen und Einflüsse" hervor gehoben, die "uns von außerordentlichem Nutzen sein werden", so Feinberg damals in einer Aussendung.
Biografie
Snow, 1939 in Toledo (Bundesstaat Ohio) als Sohn eines Anwalts und einer Lehrerin geboren, war im Februar 2003 der 73. Finanzminister der USA geworden. In seiner Amtszeit boomte die US-Konjunktur, die Arbeitslosenzahlen waren niedrig. In der Steuerpolitik fuhr Snow einen sehr kapitalfreundlichen Kurs, er verteidigte die Steuererleichterungen, von denen besonders die reichsten Amerikaner profitierten. "...wenn die Politik so verstanden wird, dass sich das Kapital nicht wohl fühlt, wird das Kapital nicht kommen", sagte er 2005 in einem Interview der "Financial Times". Wirtschafts- und sozialpolitische Reformpläne wie die von Präsident Bush forcierte Teilprivatisierung der Pensionsversicherung durch Einführung privater Pensionskonten oder ein Umbau des Steuersystems verschwanden jedoch wieder in der Versenkung, da es dafür keine Mehrheit im Kongress gab.
Vor seinem Ministeramt hatte der Doktor der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften u.a. Karriere in der Transport- und Eisenbahnindustrie gemacht. Bei der in Florida ansässigen Bahn- und Transportgesellschaft CSX wurde er in den 80er Jahren President und Vorstandschef. Schon unter der Regierung Ford war er an einflussreichen Hebeln im Transportministerium gesessen. Darüber hinaus präsidierte er das mächtige US-Unternehmernetzwerk 'Business Roundtable', dem damals 250 Chefs der größten Unternehmen der USA angehörten.