Wenn schon das Durchsetzungsvermögen in einem parteischädigenden Ausmaß zu wünschen übrig ließ, hätten sich die um ihre Erwartungen betrogenen Wähler nicht nur der SPÖ doch wenigstens etwas mehr an intellektuellem Aufwand verdient, wo es um den Versuch geht, das rote Debakel bei den Koalitionsverhandlungen als Erfolg zu verkaufen. Was diesbezüglich in den letzten Tagen geboten wurde, war eine Zumutung, die jener der Ressortaufteilung um nichts nachstand. Im Vorgefühl seiner neuen Würde konnte sich Alfred Gusenbauer offensichtlich nicht entscheiden, in welcher Rolle er glaubwürdiger erscheine - in der eines über alle Nörgeleien erhabenen Heilsbringers oder eines politischen Bonvivants, der sich von Protesten "seine Laune nicht verderben" lässt, weil er doch "schon schlechtere Zeiten in der Sozialdemokratie erlebt" hat.

Dass wichtige Vorwahlversprechen bis zum Ende einer Legislaturperiode nicht erfüllt werden, kommt vor. Aber mit Wolfgang Schüssel scheint es Mode zu werden, dass sie gleich nach der Wahl gebrochen werden, mit der Ausrede, anders wäre man eben nicht Regierungschef geworden - und was gäbe es schon Wichtigeres? Reine Herzen mag das bekümmern, das heißt aber noch lange nicht, dass ihnen daraus ein Anspruch auf plausible Erklärung erwächst.

Statt der - als Koalitionsbedingung! - versprochenen Abschaffung der Studiengebühren nun ihre Beibehaltung als Wohltat zu verklären, wobei man sich abwechselnd auf ein plötzlich entdecktes israelisches Modell und/oder auf die plötzlich entdeckte Notwendigkeit des Kampfes gegen Bummelstudenten beruft, ist abgesehen von prinzipiellen und sozialpolitischen Einwänden eine Verhöhnung der Betroffenen im Versuch, sie für dumm zu verkaufen.

Weder lässt sich die "Bummelei" vieler Studenten mit Studiengebühren beheben, noch lassen sich israelische Verhältnisse ungeprüft auf Österreich übertragen, wobei das israelische Modell ursprünglich gar nicht auf einen Studiengebührenerlass abzielte, sondern auf studentische Betreuung von Schülern. Wenn uns nur nicht der neue Verteidigungsminister demnächst ein israelisches Beschaffungsprogramm für Kampflugzeuge als die bessere Alternative zum Storno der Eurofighter verkaufen will! Oder der Sozialminister die Auszahlung der BOMS (der bedarfsorientierten Mindestsicherung) auch noch von der Ableistung eines Frondienstes abhängig macht, mit der die Bummelei der Sozialschmarotzer bekämpft werden soll.

Auch sollte man sich entscheiden, ob man die Ämterverteilung in der Regierung nun als Geniestreich oder als leider unvermeidlichen Kompromiss verkaufen will. Vielleicht stimmt es ja, dass Gusenbauer die ÖVP ganz schön geleimt hat, als er ihr neben dem Innen- und Außenressort auch noch das Finanz- sowie das Wissenschaftsministerium angedreht und sich selbst alle Ressorts unter den Nagel gerissen hat, in denen von nun an die Zukunft des Landes west.

Denn Ministerien sind ohnehin nur "abstrakte Symbole der Macht" (die der ÖVP, um präzise zu sein), während es dem nunmehrigen Bundeskanzler "um die reale Verbesserung der Lebensqualität der Menschen" geht. Das Finanzministerium wäre einem dabei nur im Weg.

Gut daher, dass Gusenbauer den Ballast loswerden konnte, auch wenn viele in der SPÖ es nicht verstehen. Soll Molterer doch schauen, wie er damit fertig wird! Er hat angekündigt, ab sofort dafür zu arbeiten, dass die ÖVP beim nächsten Mal wieder den Kanzler stellt. Das wird abstrakter Machtsymbolismus verhindern - Gusi sei Dank. (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2007)