Im Ban Lorcha Living Museum wird der Schmuck extra für die Touristen angelegt.

Foto: Thailand Tourism
Ausziehen? Die beiden Frauen kichern und schütteln heftig den Kopf. Nein, ausziehen müssen wir uns nicht für die Thai-Massage im Dorf Mae Kampong im Bergland bei Chiang Mai. Auf dem Fußboden des einfachen Holzbaus hat die Hausherrin zwei Matratzen bereitgelegt, und schon geht es los - und nur das Königspaar schaut zu.

Wie in fast allen thailändischen Haushalten hängt auch in dieser kargen Unterkunft ein Bild von Bhumibol und Sirikit, liebevoll geschmückt mit Plastikblumen als Hausschrein, der über die Familie wacht. Wie Synchronschwimmerinnen bearbeiten die Einheimischen die Touristinnen. Nach einer strengen Choreografie werden Beine, Arme, Finger, Rücken und Kopf geknetet, gerüttelt und zurechtgezogen. Klavierstimmerinnen gleich prüfen die beiden jedes Knöchelchen und schlagen jede Sehne an, bis er wieder stimmig scheint, der dröge Körper unter ihren Händen.

Weil dieser Ablauf eben nicht zufällig ist, sondern einer jahrhundertealten Weisheit folgt, dauert die echte Thai-Massage zwei Stunden, zwei Stunden, in denen das Plaudern und Lachen der Frauen dahinplätschert wie der Bach gleich draußen vor der Tür.

Von der Jagd zum Tourismus

Das Dorf Mae Kampong liegt nahe einem Wasserfall, Mae heißt Wasser und Mutter, Kampong ist der Name einer Blume, für die unser Guide Ton keinen englischen Begriff weiß. Früher lebte er von der Jagd. Kleintiere, Vögel, aber auch Hirsche und Bären erlegte er in den umliegenden Wäldern mit viel Erfahrung und ein bisschen Glück. Bis zu 12.000 Baht, also rund 200 Euro bezahlten vor allem chinesische Abnehmer für Leber und Galle eines Bären, viel Geld für einen einfachen Mann. Trotzdem unterstützt er nun das Home-Stay-Projekt im Dorf und arbeitet als Bergführer für die Touristen, die hier ein paar Tage authentisch Urlaub machen. In 13 der insgesamt 132 Häuser kann man hier unter sehr einfachen Bedingungen Kost und Logis finden. Jedes der Häuser, die Gäste aufnehmen, verfügt über ein Wasserklosett, ein Luxus, an dem sich nicht alle der rund 400 Dorfbewohner freuen dürfen.

Kaffee, Tee, Bananen und Weihnachtsstern, der hier mannshoch wuchert, sind die wichtigsten Verkaufsgüter der Gemeinschaft. Zwischen Springkraut, Sandelholz und Wildapfel führt Herr Ton die Besucher den schmalen Pfad entlang bis zum Wasserfall, in dem Rutschfeste auch ein erfrischendes Bad nehmen können.

Ob es denn hier auch Schlangen gebe, will eine europäische Wanderin wissen. "Wollen Sie denn eine sehen", lautet die Gegenfrage. Denn auch im thailändischen Dschungel gilt: Wenn man vom Teufel spricht ... Stattdessen erzählt Herr Ton, dass hier bis vor 17 Jahren noch Mohn angebaut wurde. Mit Unterstützung der Regierung wurde die Produktion aber auf legale Genussmittel umgestellt.

Seit dem Jahr 1959 ist in Thailand offiziell Schluss mit Mohnanbau und Heroinküchen. Trotzdem wurde bis in die 90er-Jahre in Thailands Norden im Goldenen Dreieck mit Myanmar und Laos weltweit das meiste Opium produziert. Der Mohnanbau war traditionell das einzige Privileg der Bergvölker, die staatenlos und nomadisch durch das Dreiländereck zogen.

Drakonische Strafen für Drogenhändler und hohe Investitionen in die Infrastruktur des Nordens sollten das schlechte Image des Goldenen Dreiecks aufpolieren. Deswegen führen heute selbst in abgelegene Nester wie Mae Kampong gut ausgebaute Straßen, auf denen die Gäste samt Rollköfferchen bequem auf dem Pick-up in die Einschicht verfrachtet werden.

Nicht in allen Orten schlagen sich die neuen Zeiten so harmonisch nieder wie in unserem Wasserfalldorf. Etwas weiter nördlich, nahe der myanmarischen Grenze, legen im Ban Lorcha Living Museum die Frauen ihre Silberschmuckimitate erst an, wenn sie den Touristenbus um die Ecke biegen sehen.

Taktik gegen den Drogenhandel

Hier können die Besucher an einer geführten Tour durch ein originales Bergdorf teilnehmen, dem allmählich die Bewohner ausgehen. Die Jungen gehen längst zum Arbeiten nach Taiwan und China, wichtige Voraussetzung dafür sind Pass und Staatsbürgerschaft, die ihnen die Sesshaftigkeit brachte. Denn nur wer sesshaft ist, kann seine Kinder regelmäßig in die Schule schicken. Der Schulbesuch aber ist die Bedingung für die thailändische Staatsbürgerschaft, mit der Königshaus und Regierung die einstmals Rechtlosen locken und vom Drogenhandel abbringen wollen, eine Taktik, die mittelfristig aufzugehen scheint.

Nirgendwo auf der Fahrt zwischen Chiang Rai, Chiang Mai und Lampang ist auch nur ein Stängel Mohn zu erblicken, Elefantengras, Papaya und Reis bilden das satte Straßenbegleitgrün. Thailands gut ausgebauter Norden ist fit für den Tourismus, weit, weit weg ist hier die Küste mit ihren Tsunamischäden, die auch schon alle beseitigt sind. Was in Österreich zu einem nationalen Trauma geführt hätte, ist hier, zumindest den Gästen gegenüber, zwei Jahre nach dem Unglück schon längst nicht mehr der Rede wert.

Weit, weit weg ist hier auch die Hauptstadt Bangkok, wo das Volk in friedlicher Demonstration seinen korrupten Premierminister Thaksin Shinawatra zum Rücktritt bewogen hat und wo ein Bombenattentat am Silvestertag drei Menschen in den Tod gerissen hat. Ein Versuch der Destabilisierung, wie der vom Militär eingesetzte Ministerpräsident Surayud Chulanot betonte.

Thai-Massage überall

Wenn die Infrastruktur der Badelandschaft um die heißen Quellen bei Chiang Mai heute auch noch eher realsozialistischen Charme versprüht, der Dienstleistungssektor ist hier schon ganz auf der Höhe der Zeit: Die obligate Thai-Massage wird eben im Freien unterm Teakholzbaum angeboten. Das elegante Suan Bua Resort & Spa ein paar Kilometer weiter zeigt, wie hier die Zukunft aussehen könnte. In einer riesigen Parkanlage werden in lauschigen Pavillons Day-Spa-Packages mit einfallsreichen Namen wie "Touch of Paradise" oder "Exotic Experience" angeboten.

Bei der klassischen Thai-Massage herrscht auf der eleganten Teakholzliege allerdings Panflötenalarm. Unbarmherzig plärren aus dem CD-Player die einschlägigen Kaufhaussongs. Kosten der einstündigen Behandlung inklusive Anrufung der Massage-Geister: 700 Baht, also das Doppelte für die halbe Zeit im Vergleich zur Originalversion im Dorf; ja, so ist das Leben auch in der thailändischen Marktwirtschaft.

Dass es für weniger Geld aber auch doppelt so schnell gehen kann, beweisen die Thai-Massage-Stände am Flughafen Bangkok. Hier können sich Eilige noch prestissimo in einer halben Stunde für den Langstreckenflug zurechtkneten lassen. Nur das Plätschern des Baches, das geht einem da schon ab. (Tanja Paar/Der Standard/RONDO/12.1.2007)