Berlin - Der Bund in Deutschland hat im vergangenen Jahr 27,9 Mrd. Euro neue Schulden aufgenommen. Das sei die niedrigste Neuverschuldung seit 2001, wie Finanzminister Peer Steinbrück am Freitag in Berlin mitteilte. Die Defizitquote des Gesamtstaates gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank dank der guten Konjunktur 2006 auf 1,9 Prozent und damit klar unter die im EU-Maastricht-Vertrag erlaubte Obergrenze von 3,0 Prozent.

Deutschland erfüllte damit seine Zusicherung an Brüssel, die EU-Vorgaben 2006 einzuhalten, nachdem die Neuverschuldung in den vier Jahren davor jeweils über 3 Prozent gelegen war. An sich haben sich die EU-Staaten im Euro-Stabilitätspakt dazu verpflichtet, bei Überschreitung der Defizitgrenzen ihre Haushalte spätestens binnen drei Jahren in den Griff zu bekommen.

Kräftiger Aufschwung

Steinbrück erklärte, der Abschluss des Bundeshaushalts für das vergangene Jahr sei nochmals "spürbar besser ausgefallen" als zuletzt angenommen. Ursprünglich war für 2006 eine Nettokreditaufnahme von 38,2 Mrd. Euro geplant. Auf Grund des kräftige Konjunkturaufschwungs sowie sprudelnder Steuereinnahmen war zuletzt jedoch schon erwartet worden, dass die Neuverschuldung auf unter 30 Mrd. Euro sinkt.

Für 2007 hat der Bund mit 19,6 Mrd. Euro die niedrigste Neuverschuldung seit der deutschen Wiedervereinigung veranschlagt. Damit wird erstmals seit Jahren auch die Schuldenregel des deutschen Grundgesetzes eingehalten, wonach die neuen Schulden nicht die Investitionen übersteigen dürfen. Das Gesamtdefizit von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen soll 2007 nach bisherigen Planungen des Bundesfinanzministeriums in Berlin auf 1,5 Prozent gedrückt werden.

Neuverschuldung sinkt 2008 deutlich

Deutschlands Finanzminister Peer Steinbrück will auch im kommenden Jahr deutlich weniger neue Schulden aufnehmen. Die Nettokreditaufnahme müsse "klar unter 19,6 Mrd. Euro liegen", die für dieses Jahr geplant seien, sagte Steinbrück am Freitag auf einer Pressekonferenz in Berlin. 2006 hatte der Bund die Nettokreditaufnahme auf 27,9 Mrd. Euro gesenkt. Sie erreichte damit ihren niedrigsten Wert seit 2001.

Gedämpftes Wachstum zu Jahresbeginn

Die höhere Mehrwertsteuer wird das Wachstumstempo der Wirtschaft in Deutschland zum Jahresanfang dem DIW-Institut zufolge etwas dämpfen, aber nicht abwürgen. "Alles in allem wird die konjunkturelle Entwicklung zwar von den Auswirkungen der Finanzpolitik belastet, ein Abbruch des gegenwärtigen Aufschwungs ist jedoch derzeit nicht in Sicht", erklärte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Freitag in seinem Konjunkturbarometer. Für die Monate Jänner bis März erwarten die Berliner Forscher einen Anstieg der Wirtschaftsleistung von knapp 0,4 Prozent zum Jahresende.

Für das Schlussquartal 2006 veranschlagen die Experten ein saison- und kalenderbereinigtes Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hatte am Donnerstag nach ersten Berechnungen geschätzt, die deutsche Wirtschaft habe im vierten Quartal um rund 0,5 Prozent zugelegt. Wegen der Vorzieheffekte der Mehrwertsteuer sei eine Schätzung allerdings schwierig.

Leichter Rückgang am Bau

Die positive Konjunkturentwicklung zum Jahresanfang dürfte dem DIW zufolge abermals von einer robusten Industriekonjunktur getragen sein. Beim Bau sei hingegen mit einem leichten Rückgang zu rechnen. Während Finanz- und Unternehmensdienstleistungen überdurchschnittlich zum Wachstum beitrügen, dürften sich öffentliche und private Dienstleistungen schwächer entwickeln. "Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Mehrwertsteuererhöhung sowie die nunmehr fehlenden vorgezogenen Käufe deutliche Spuren im Handel hinterlassen werden."

Die deutsche Wirtschaft war 2006 vor allem wegen Impulsen aus dem Inland mit 2,5 Prozent so stark gewachsen wie seit sechs Jahren nicht mehr. (APA/dpa)