Berlin - In Deutschland haben Union und SPD in einem nächtlichen Verhandlungsmarathon eine Einigung über die Änderungen der deutschen Gesundheitsreform erzielt. Erstmals wird in Deutschland damit eine Pflicht zur Krankenversicherung für jeden eingeführt. Gleichzeitig wird die Reform der privaten Krankenversicherung (PKV) deutlich abgemildert. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Unions-Unterhändler Wolfgang Zöller zeigten sich am Freitag zufrieden mit dem umfassenden Änderungspaket.

In einer rund 13-stündigen letzten Verhandlungsrunde verständigten sich Union und SPD in der Nacht auf Freitag auf einen Kompromiss bei den umstrittenen Regelungen für die private Krankenversicherung. Schmidt und Zöller zeigten sich überzeugt, dass die Vereinbarung die Zustimmung der Fraktionen und der Länder finden wird. Trotz der erklärten Einigung blieben aber weiterhin mehrere Punkte offen, etwa Art und Umfang der Einsparungen bei Krankenhäusern und Rettungsdiensten. Dazu würden mit den Ländern weitere Gespräche geführt.

"Das ist ein wichtiger Durchbruch", sagte Gesundheitsministerin Schmidt in Berlin. Sie betonte, das Einsparziel der Reform bleibe bestehen. In diesem Jahr sollen die Kassen um 1,4 Milliarden Euro entlastet werden.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sprach ebenfalls von einem "endgültigen Durchbruch" in den Verhandlungen. "Diese Gesundheitsreform ist jetzt wirklich politisch über die Bühne", sagte er in Kloster Irsee in Bayern. Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zeigte sich erleichtert. Damit sei eine gute Grundlage für die Entscheidung im Bundestag geschaffen worden. Die FDP-Fraktion sprach von einem "völlig unzureichenden Kompromiss".

Zuletzt ging es unter anderem darum, wer zu welchen Konditionen in der Privaten Krankenversicherung versichert werden kann. Diese steht in Deutschland nur den höheren Einkommensgruppen und Beamten offen, während der Großteil der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Die privaten Kassen bieten individuelle Tarife nach persönlichem Krankheitsrisiko an und behalten sich vor, Bewerber abzulehnen.

Ein neu geplanter Basistarif soll nach der jüngsten Einigung für die bisherigen Versicherten jetzt erst 2009 und nur befristet geöffnet werden. Im Gegenzug vereinbarten Union und SPD die von den Sozialdemokraten geforderte Versicherungspflicht für alle. Nichtversicherte müssen von den Privatkassen bereits vom 1. Juli 2007 an aufgenommen werden. Bisher gibt es nur eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zu einem Bruttoeinkommen von 3.975 Euro im Monat. Die Zahl der Nichtversicherten wird auf rund 300.000 geschätzt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sehe die Einigung "sehr positiv", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Abstimmungsbedarf mit den deutschen Ländern gibt es unter anderem noch bei der so genannten "Bayern-Klausel" zur Mehrbelastung der Kassen und der Höhe der Kürzungen bei Krankenhäusern und Rettungsdiensten.

Die Große Koalition aus Union und SPD will das Gesundheitswesen in Deutschland umfassend reformieren und durch mehr Wettbewerb den Kostenanstieg bremsen. Bei diesem Thema waren die Ausgangspositionen zwischen beiden Lagern weit auseinander, so dass immer neuer Streit entflammte. Die Reform soll Anfang Februar vom Bundestag und bis Mitte Februar vom Bundesrat beschlossen werden, so dass sie am 1. April in Kraft treten kann. (APA/AP/dpa/Reuters)