Er tat alles, um die Audienz im Weißen Haus zu kriegen. Doch heute bereut es Nicolas Sarkozy bitter, dass er im September 2006 auch nur um einen Gesprächstermin bei George Bush nachsuchte. Auf dem Foto, das seither durch die Medien kursiert, strahlt der Franzose den US-Präsidenten wie ein Schulbub an.

Das entspricht nun nicht genau den Gefühlen, die die große Mehrheit der Franzosen für Bush hegt. In Paris, wo der Widerstand gegen den Irakkrieg als einer von wenigen Verdiensten von Staatschef Jacques Chirac gilt, vergleicht man Sarkozys Anbiederung nur noch mit der Haltung des britischen Premiers Tony Blair.

Ähnlich ins Mark zielen die Vorwürfe des sozialistischen Abgeordneten Eric Besson in einer neuen Studie namens „Die beunruhigenden Bruchstellen des Monsieur Sarkozy“. Darin wird dem Innenminister, der am Sonntag zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Rechtspartei UMP gekürt wird, eine neokonservative Einstellung amerikanischer Prägung unterstellt. Insbesondere sei er wirtschaftsliberal, proatlantisch und „kommunitaristisch“. Und das ist so ziemlich das Gegenteil der sozialen, US-kritischen und laizistischen Grundwerte der französischen Republikaner.

In der gut dokumentierten Untersuchung wird Sarkozy etwa mit den Worten zitiert: „Ich bin überzeugt, dass der religiöse Geist und die religiöse Praxis beitragen können, eine freie Gesellschaft zu befrieden und zu regulieren.“ Jedem französischen Laizisten stellen sich da die Nackenhaare auf. 2004 habe Sarkozy in den USA erklärt: „Einige Leute nennen mich in Frankreich ‚Sarkozy l’Américain‘. Ich bin stolz darauf.“ Nur im Irakkrieg habe „Bushs Klon“ keine Stellung bezogen, wirft ihm die auf der Internetseite des Parti Socialiste vertriebene Streitschrift vor. Dafür habe Sarkozy gegenüber Bush die „französische Arroganz“ kritisiert.

Persönliche Attacken

Weiter führt die Studie aus, Sarkozy betreibe die gleiche Repressionspolitik wie die USA und wolle in Paris den gleichen Wirtschaftsliberalismus einführen. Dagegen verwahrt sich Besson gegen jegliche persönliche Attacken gegen Sarkozy, etwa über die geringe Körpergröße oder seine ausländische und zum Teil jüdische Herkunft.

Sarkozys Mitstreiter versuchten in zahlreichen Presseinterviews Gegenfeuer zu geben. Der UMP-Abgeordnete Yves Jego machte darin einen „Beigeschmack an der Grenze zur Fremdenfeindlichkeit“ aus. Jego rückt die Wahlkampfstudie in die Nähe des rechtsextremen Front National, dessen Vertreterin Marine Le Pen gerne über „Nick, den kleinen Amerikaner“ lästert.

Besson dürfte allerdings eher den Graben innerhalb der UMP zu vertiefen suchen. Sarkozy kontrolliert die Spitze und die Basis der Partei; die Altgaullisten Jacques Chirac und Dominique de Villepin geben sich aber nicht so schnell geschlagen. Für sie ist die Studie ein gefundenes Fressen. Dabei spielen nicht unbedingt xenophobe Reflexe mit, sondern eher der Dünkel alteingesessener Franzosen gegen den Parvenu Sarkozy, der sich in der streng hierarchischen Landesgesellschaft emporgearbeitet hat. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.1.2006)