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In Berlin und Umgebung hat Scientology einem Sprecher zufolge rund 1.000 Anhänger. In dem sechsstöckigen Haus an der Otto-Suhr-Allee, an dem groß der Schriftzug "Scientology Kirche" prangt, gibt es nach Angaben der Organisation eine größere Kapelle, Kinos und mehrere Seminarräume.

Foto: APA/EPA/Gero Breloer
Berlin - Anhänger von Scientology aus ganz Europa haben am Samstag eine neue Niederlassung der Organisation in Berlin öffnet. Nach Polizeiangaben reisten mehr als 1.000 Gäste aus Deutschland und anderen europäischen Ländern zu der Eröffnungsfeier an. Ein Scientology-Sprecher sprach von mehr als 4.000 Besuchern. Sie schwenkten vor dem Gebäude im Viertel Charlottenburg Fahnen und ließen Luftballons steigen. Nach Angaben einer Polizeisprecherin verlief die Veranstaltung friedlich.

Da anfangs nur geladene Gäste wie die US-Schauspielerin Ann Archer ins Gebäude gelassen wurden, gruppierten sich Zuschauer und Besucher zunächst auf dem Gehsteig vor dem Gebäude und auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Da es auf der Otto-Suhr-Allee zeitweise zu Verkehrsbehinderungen kam, forderte die Polizei die Veranstalter nach der offiziellen Eröffnung auf, die Menschen nach und nach ins Gebäude zu lassen.

"Gehirnwäsche - Nein danke"

Einen Antrag von Scientology, die Straße zwischen 11:00 und 13:00 Uhr für Autos zu sperren, hatte das Verwaltungsgericht Berlin im Vorfeld abgelehnt. Die Organisation wollte dort eine Bühne, Stühle, Kameras, Scheinwerfer und Video-Bildschirme aufstellen.

Nach Angaben der Polizei verlief die Veranstaltung vor dem Gebäude ohne Zwischenfälle. Gegendemonstrationen seien nicht angemeldet gewesen. Lediglich einige Anrainer protestierten mit Schildern wie "Gehirnwäsche - Nein danke". Die Polizei war nur mit wenigen Einsatzkräften vor Ort.

Beobachtung durch den Berliner Verfassungsschutz gefordert

In den vergangenen Tagen war in Berlin heftig um die neue Repräsentanz von Scientology gestritten worden. Sekten-Experten hatten gemutmaßt, dass das Haus in Berlin-Charlottenburg die neue Deutschland-Zentrale der Organisation werden soll. Politiker forderten die Beobachtung von Scientology durch den Berliner Verfassungsschutz. Die 1954 in den USA gegründete Organisation wird bereits vom deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Die Behörde sieht Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Im November 2004 hatte etwa das Kölner Verwaltungsgericht festgestellt, dass Scientology die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung einschränken wolle. Zudem strebe Scientology eine Gesellschaft ohne allgemeine und gleiche Wahlen an. Laut Verfassungsschutz hat Scientology in Deutschland zwischen 5.000 und 6.000 Mitglieder, die Organisation selbst spricht von 30.000.

Thierse will Überwachung von Scientology prüfen lassen

Der deutsche Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat sich dafür ausgesprochen zu prüfen, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die Überwachung von Scientology verstärken müsse. Bei Scientology handele es sich nicht um eine Religionsgemeinschaft, "sondern um ein strategisch handelndes Wirtschaftsunternehmen, dessen Ziel es ist, Macht über Menschen zu gewinnen und dabei Geld zu verdienen", sagte Thierse der "Berliner Zeitung" (Wochenend-Ausgabe). Man müsse genau aufpassen, ob Scientology missionarisch tätig werde und sich Menschen gefügig mache. Scientology plant für diesen Samstag die Einweihung einer neuen Repräsentanz in der Bundeshauptstadt.

Der stellvertretende Unionsfraktions-Vorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) kritisierte die Linie des Berliner Innensenators, der die Überwachung durch den Landesverfassungsschutzes 2003 beendet hatte, als grob fahrlässig. "Es ist das falsche Signal, so zu tun, als gehe keine Gefahr von Scientology aus." Wohl auch deshalb habe sich Scientology Berlin als Zentrale ausgesucht.

Scientology, wird vom Bundesverfassungsschutz und den meisten Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet, nicht aber vom Berliner Verfassungsschutz. (APA)