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Karl Korinek, VfGH-Präsident

Foto: AP/Zak
Wien - Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, erwartet von der neuen Regierung eine rasche Neuregelung der Ortstafel-Frage. "Wir haben 2001 eine Frist für eine Sanierung von über einem Jahr gegeben - die ist ungenützt geblieben. Höchste Zeit, dass etwas passiert", drängt Korinek im Gespräch mit der APA. Für die von Rot-Schwarz geplante Staatsreform ist Korinek optimistisch. Im Parlament wünscht er sich eine eigene Abteilung zur "Qualitätssicherung" der Gesetze. Dass die große Koalition mir ihrer Zweidrittelmehrheit das Verfassungsgericht "austricksen" könnte, befürchtet er nicht.

Die im Koalitionspakt vereinbarte Verankerung der Ortstafelregelung in der Verfassung hält Korinek nicht für unbedingt notwendig. "Sehr sinnvoll" wäre für ihn zwar eine verfassungsrechtliche Definition des im Staatsvertrag genannten "gemischtsprachigen Gebiets". Bei der so genannten "Öffnungsklausel", die die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln per Petition ermöglichen soll, wäre ein Verfassungsgesetz "im technischen Sinn" aber nicht nötig, findet Korinek: "Ich glaube eher, dass man da in der derzeitigen Situation einen politischen Kompromiss absichern will."

Maßstab der Verfassung

Was die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene zehn Prozent Grenze angeht (demnach gilt eine Ortschaft als "gemischtsprachiges Gebiet" mit zweisprachiger Ortstafel, wenn auf Dauer mehr als zehn Prozent slowenischsprachige Bevölkerung dort leben), hält Korinek grundsätzlich auch eine andere Lösung für möglich: "Natürlich kann der Gesetzgeber das auch mit anderen Kriterien festlegen. Aber er muss sich dann gefallen lassen, dass man ihn am Maßstab der Verfassung misst."

Mit einer Ministeranklage der Regierung gegen den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider rechnet Korinek in diesem Zusammenhang übrigens nicht, weil die Ortstafeln kein Gegenstand der "mittelbaren Bundesverwaltung" seien. Eine solche Anklage gegen die verantwortlichen Landesregierungsmitglieder beim Verfassungsgericht könne daher höchstens der Kärntner Landtag einbringen.

"Angst habe ich nicht"

Dass der VfGH unter einer großen Koalition weniger Arbeit haben könnte, glaubt Korinek nicht. "Viele Leute haben Angst, dass mit Verfassungsbestimmungen der Gerichtshof ausgetrickst werden könnte - diese Angst habe ich nicht", betont der VfGH-Präsident. Die Öffentlichkeit sei diesbezüglich viel "sensibler" geworden: "Das ist politisch nicht mehr so leicht wie früher und es gibt einen Kernbereich der Verfassung, der auch einer Zweidrittelmehrheit nicht zur Disposition steht (z.B. Gleichheitsgrundsatz, Anm.)." Und, so Korinek mit Blick auf die 90er: "Auch in der großen Koalition hat es beachtliche viele Gesetzesaufhebungen gegeben. Ich glaube nicht, dass sich da viel ändert."

Was die zahlreichen Gesetzes-Aufhebungen unter Schwarz-Blau bzw. Schwarz-Orange angeht, glaubt Korinek zwar nicht, dass die Regierung Gesetze "bewusst ins Out gespielt" hat. Allerdings habe man einige Vorhaben "so an die Linie gespielt, dass man in Kauf genommen hat, wenn's drüber geht". Als Beispiel nennt der VfGH-Präsident, die niedrige Entlohnung der Zivildiener, die "trotz der Warnungen in den Vorentscheidungen" beibehalten wurde, und die Streichung der Aufschiebenden Wirkung von Berufungen im Asylverfahren. Beides wurde schließlich vom VfGH gekippt.

"Qualitätssicherung" für Gesetze

Für VfGH-Präsident Karl Korinek gehen die Vorschläge von SPÖ und ÖVP in Sachen Staatsreform in die richtige Richtung. Allerdings vermisst Korinek im Regierungsprogramm auch einige Maßnahmen. Ganz oben auf seiner Wunschliste steht eine bessere "Qualitätssicherung" für Gesetze im Nationalrat. Außerdem würde sich Korinek die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze auch für einfache Bürger wünschen (nicht nur für Gerichte und Parlament).

Fachabteilung

"Mir fehlt eine Sicherheit, eine Qualitätssicherung der Gesetze im Parlament. Wir leiden alle unter legistischen Schwächen, die weitgehend zeitlich bedingt sind, weil regelmäßig Zeitdruck besteht", sagt Korinek. Seiner Meinung nach sollte daher eine eigene legistische Fachabteilung im Parlament die Verantwortung für die sprachliche Qualität der Gesetze übernehmen.

Als Beispiel verweist Korinek auf eine Passage im Vergabegesetz 2002: "Das widerspricht sich in mindestens zwei Punkten und ist in Wahrheit nicht anwendbar." Bei anderen Gesetzen habe der Nationalrat zeitgleich widersprüchliche Novellen beschlossen "und kein Mensch weiß mehr, welche der Novellen gilt", ärgert sich Korinek: "Solche Blödheiten, die in der Rechtsanwendung Stunden und Geld kosten, die müsste man vermeiden."

Die im Regierungsprogramm angedachte Staatsreform und die Einsetzung einer vierköpfigen Expertengruppe um SP-Volksanwalt Peter Kostelka und VP-Pensionistenchef Andreas Khol begrüßt Korinek: "Das sind vier sehr gute Leute, die da eingesetzt worden sind - Leute, denen eine Verbesserung am Herzen liegt. Ich könnte mir schon vorstellen, dass da was rauskommt."

Die Pläne im Regierungsprogramm - etwa die "Verfassungsbereinigung" und die Schaffung von "Landesverwaltungsgerichten" - gehen für den VfGH-Präsidenten in die richtige Richtung, weil auf den Ergebnissen des Österreich-Konvents aufgebaut werde. Die Einigungschancen sind für Korinek besser als im Konvent, weil diesmal keine gänzlich neue Verfassung angestrebt werde, sondern eine große Reform des bestehenden Grundgesetzes: "Das könnt' schon was werden."

Skeptisch ist Korinek allerdings, was das Sparpotenzial von Verwaltungsreformen angeht. "Hier habe ich eine ganz unkonventionelle Ansicht: Ich bin der Meinung, dass es wesentlich wichtiger wäre, bei der Gesetzgebung darauf zu achten, keine überflüssigen Verwaltungsaufgaben zu schaffen."

Verfassungsbeschwerde für Bürger

Wünschen würde sich Korinek die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze auch für einfache Bürger. Das Problem: Tritt bei Gerichtsverfahren ein möglicherweise verfassungswidriges Gesetz zu Tage, kann sich derzeit nur das Gericht (nicht aber der direkt Betroffene) an den Verfassungsgerichtshof wenden. "Das funktioniert in der Praxis aber nur in zu geringem Ausmaß", findet Korinek. Anders als die Verfassungsrichter würden Richter an ordentlichen Gerichten Verfassungsfragen nämlich weniger Beachtung schenken.

Außerdem auf Korineks Wunschliste: Vorschriften zur leichteren Erledigung von "Massenverfahren". So sei das Verfassungsgericht vor einigen Jahren mit einer Serie von 11.000 Beschwerden gegen die Mindest-Körperschaftssteuer konfrontiert gewesen. Korinek: "Hätten wir damals jedes Verfahren einzeln behandelt, hätten wir 3.000 Arbeitsstunden gebraucht." (APA)