Wien - Wegen mangelnder Investitionen in neue Züge in den Achtziger- und Neunziger-Jahren und einem starken Fahrgastzuwachs müssen die ÖBB jetzt schon auf Züge aus Osteuropa zurückgreifen. Eine Sprecherin bestätigte am Wochenende Zeitungsberichte der vergangenen Tage, wonach sich die ÖBB schon für den Stoßverkehr in den Weihnachtsfeiertagen für den Fernverkehr vereinzelt Waggons aus Rumänien, Polen und Ungarn ausgeliehen haben und dies auch weiterhin praktizieren würden.

Hauptsächlich würden Waggons aus Deutschland, der Schweiz und Italien ausgeliehen. Auch dort gebe es aber einen Waggonengpass. Daher freue man sich über jede Bahn, die den ÖBB in Stoßzeiten Wagenmaterial zur Verfügung stelle, so die ÖBB-Sprecherin. Das nächste Mal wird das voraussichtlich in den Semesterferien der Fall sein. Die ausgeliehenen Waggons würden "unterschiedlichen Komfortklassen" entsprechen. Generell seien aber auch jene aus Polen oder Rumänien mit dem heimischen Standard vergleichbar. Hauptsache für den Reisenden sei in einer solchen Situation außerdem, "dass er auf einer langen Fahrt nicht stehen muss".

Buchungslage

Wie viele Waggons die ÖBB im Jahr anmieten müssten, hänge von der Buchungslage ab. Pauschale Zahlen könne man nicht nennen, so die Sprecherin. Seit 2005 ist die Zahl der Fahrgäste um über 10 Millionen auf 440 Millionen gestiegen. Laut "Kronen Zeitung" müssen die ÖBB-Fahrgäste auch auf längeren Strecken, wie etwa von Wien nach Graz, auch immer öfter in unbequemen Pendler-Garnituren Platz nehmen. Die "Salzburger Nachrichten" hatten vor Kurzem berichtet, dass wegen Überfüllung sogar Fahrgäste wieder gebeten worden sind, auszusteigen, und ÖBB-Kunden am Wochenende immer öfter das Einsteigen in den Zug erkämpfen müssen.

Die ÖBB haben wegen des Waggon-Engpasses erst vor Kurzem für 47,5 Mio. Euro drei ICE-Garnituren von der Deutschen Bahn gekauft. Außerdem haben die ÖBB bei Siemens für 250 Mio. Euro auch schon 23 neue Fernzüge bestellt, die kommen aber erst ab Ende 2008. Für 40 weitere Railjets haben die ÖBB eine Option. Sie könnten ab 2010 ausgeliefert werden.

Vierzehn eigenverantwortliche Gesellschaften

Bei Fahrgastvereinen sieht man das Problem aber auch in der neuen Bahn-Struktur und im Management. "Vor der ÖBB-Trennung waren Platzzüge üblich. Bei Überfüllung wurden Extrazüge eingeschoben, in welche die Fahrgäste umsteigen konnten", erklärte Pro-Bahn-Sprecher Peter Haibach in den "Salzburger Nachrichten". Außerdem dürfe der Fahrdienstleiter ohne Auftraggeber nicht mehr tätig werden, da dies Kosten verursache. Seit 2005, als das integrierte System in vierzehn eigenverantwortliche Gesellschaften aufgeteilt wurde, sei "es dem Fahrdienstleiter egal, weil er als Angestellter der Infrastruktur nicht mehr für den Personenverkehr mitdenken darf - egal, wie voll die Züge sind", so Haibach. Darüber hinaus, berichtete er, seien nach der Teilung Waggons nach Osteuropa verkauft worden. Andere seien vorzeitig verschrottet worden. Aus Sparsamkeit werde gleichzeitig weniger repariert, desolate Waggons seien nicht einsatzfähig.

Bei den ÖBB weist man das zurück. Schon vor der Reform habe es einen Waggon-Engpass gegeben. Immer wieder habe man auch in den Jahren davor auf Waggons aus dem Ausland zurückgegriffen. Im Durchschnitt ist der Fuhrpark derzeit 21 Jahre alt, über 500 Waggons haben mittlerweile über 30 Jahre auf dem Buckel. (APA)