"Die Politik der Chavez-Regierung hat zu zahlreichen Verzerrungen geführt, deren negativen Folgen durch die beeindruckenden Öleinnahmen bislang vollständig verdeckt worden sind", sagt Analyst Pablo Goldberg von Merrill Lynch. "Doch das könnte alles ganz schnell und hässlich an die Oberfläche kommen, wenn der Ölpreis deutlich zurückgeht." Erste Anzeichen für eine Abkühlung gibt es bereits: Allein in den vergangenen sechs Monaten hat sich das Öl an den internationalen Rohstoffmärkten um rund ein Drittel verbilligt und seine Rekordstände aus dem vergangenen Sommer von fast 80 Dollar pro Barrel hinter sich gelassen.
"Holländische Krankheit"
Der Ölsegen, der Chavez gegenwärtig eine volle Staatskasse beschert und ihm somit seine großzügigen Sozialprogramme sowie Wirtschaftseingriffe erlaubt, könnte sich demnach bald als Ressourcen-Fluch erweisen. Volkswirte sprechen in diesem Zusammenhang auch von der "Holländischen Krankheit" - und deren Symptome sind in Venezuela nach Ansicht von Goldberg bereits zu beobachten.
Der Begriff bezieht sich auf die wirtschaftlichen Probleme, die die Niederlande nach der Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee in den 1970er Jahren durchmachten: Die erhöhten Ölexporte führten zu Wechselkursverzerrungen, die die Einfuhren ausländischer Waren begünstigten und die Ausfuhr nicht-fossiler holländischer Produkte erschwerten. Die Folgen waren eine höhere Arbeitslosigkeit und eine geringere Wettbewerbsfähigkeit der holländischen Industrie.
Neben der Abhängigkeit vom Öl stellen aber auch die immer weiter reichenden Nationalisierungsschritte die Nachhaltigkeit des Chavez'schen Entwicklungsmodells in Frage. Investoren fehle einfach Rechtssicherheit in dem Land. So ist der Zustrom ausländischer Direktinvestitionen nach Venezuela einem Bericht von Standard & Poor's zufolge von einst 4,7 Milliarden Dollar 2000 auf durchschnittlich zwei Milliarden Dollar in den fünf darauffolgenden Jahren gefallen.