New York - Mit seinen markigen Worten von Revolution und Sozialismus hat Venezuelas Präsident Hugo Chavez in den vergangenen Tagen weltweit einmal mehr die Schlagzeilen beherrscht. Doch die Ankündigung des im Dezember wiedergewählten Linkspolitikers, weitere Wirtschaftsbereiche zu verstaatlichen und die Unabhängigkeit der Zentralbank abzuschaffen, könnte dem ohnehin schon geschwächten Privatsektor in dem südamerikanischen Land den Rest geben und die Regierung in Caracas noch abhängiger von ihrer Haupteinnahmequelle machen - dem Öl.

"Die Politik der Chavez-Regierung hat zu zahlreichen Verzerrungen geführt, deren negativen Folgen durch die beeindruckenden Öleinnahmen bislang vollständig verdeckt worden sind", sagt Analyst Pablo Goldberg von Merrill Lynch. "Doch das könnte alles ganz schnell und hässlich an die Oberfläche kommen, wenn der Ölpreis deutlich zurückgeht." Erste Anzeichen für eine Abkühlung gibt es bereits: Allein in den vergangenen sechs Monaten hat sich das Öl an den internationalen Rohstoffmärkten um rund ein Drittel verbilligt und seine Rekordstände aus dem vergangenen Sommer von fast 80 Dollar pro Barrel hinter sich gelassen.

"Holländische Krankheit"

Der Ölsegen, der Chavez gegenwärtig eine volle Staatskasse beschert und ihm somit seine großzügigen Sozialprogramme sowie Wirtschaftseingriffe erlaubt, könnte sich demnach bald als Ressourcen-Fluch erweisen. Volkswirte sprechen in diesem Zusammenhang auch von der "Holländischen Krankheit" - und deren Symptome sind in Venezuela nach Ansicht von Goldberg bereits zu beobachten.

Der Begriff bezieht sich auf die wirtschaftlichen Probleme, die die Niederlande nach der Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee in den 1970er Jahren durchmachten: Die erhöhten Ölexporte führten zu Wechselkursverzerrungen, die die Einfuhren ausländischer Waren begünstigten und die Ausfuhr nicht-fossiler holländischer Produkte erschwerten. Die Folgen waren eine höhere Arbeitslosigkeit und eine geringere Wettbewerbsfähigkeit der holländischen Industrie.

Neben der Abhängigkeit vom Öl stellen aber auch die immer weiter reichenden Nationalisierungsschritte die Nachhaltigkeit des Chavez'schen Entwicklungsmodells in Frage. Investoren fehle einfach Rechtssicherheit in dem Land. So ist der Zustrom ausländischer Direktinvestitionen nach Venezuela einem Bericht von Standard & Poor's zufolge von einst 4,7 Milliarden Dollar 2000 auf durchschnittlich zwei Milliarden Dollar in den fünf darauffolgenden Jahren gefallen.

Typisch für den Fall Venezuelas ist dabei nach Ansicht von Analyst Christian Stracke von CreditSights, dass der Staat auch Firmen aufkauft, die nicht wettbewerbsfähig sind und damit kurz vor der Pleite stehen. Ein Beispiel für diese Praxis sei die Verstaatlichung eines kurz zuvor stillgelegten Heinz-Ketchup-Werks vor zwei Jahren gewesen, sagt Stracke. Die Arbeitsplätze seien durch den symbolträchtigen Schritt der Regierung zwar vorerst gerettet. Langfristig dürfte diese Wirtschaftspolitik das Land aber in den Augen Strackes in eine Sackgasse führen: "Zunächst wird Venezuela weiter vorankommen und funktionieren, aber es ist eine perverse Art, eine Wirtschaft am Leben zu erhalten." (APA/Reuters)