Wien - Die Ausstellung "BASELITZ Remix", die am Mittwoch (17.1) eröffnet wird, ist der Auftakt zu neuen Initiativen, mit denen die Wiener Albertina im Jahr 2007 von der bisherigen Politik der reinen Wechselausstellungen abrücken wird. Der aus 58 Aquarellen und sieben Gemälden bestehende gesamte Baselitz-Bestand der deutschen Sammlung Rheingold geht als unbefristete Dauerleihgabe an die Albertina. Die Prunkräume werden ab Mai nicht nur mit Originalmöbeln ausgestattet, sondern dienen ab dann auch als ständige Präsentation von Alt-Meisterzeichnungen aus dem Bestand. In der Basteihalle soll künftig eine permanente Schausammlung für Kunst nach 1960 etabliert werden. Der Studiensaal wird im Herbst 2007 eröffnet.

Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder teilt keineswegs die Ansicht seines ehemaligen Vizedirektors Alfred Weidinger, der kürzlich erklärt hatte: "Die Albertina ist jetzt fertig. Sie ist ein Fall für die Routine." Zwar sei die bauliche Ausbauphase weitestgehend abgeschlossen ("Da kann ich die Anrainer beruhigen") und bis auf ein paar hundert Quadratmeter gebe es auch keine Raumreserven mehr, erklärt Schröder im Gespräch mit der APA, "aber ich habe meine Aufgabe schon in den vergangenen sechs Jahren nicht über den baulichen Ausbau definiert. Die Albertina ist ein Langzeitprojekt, mein Daseinszweck ist hier noch lange nicht erfüllt."

Spartenmuseum

Besucherzahlen - mit 725.000 Besuchern, davon allein 348.000 bei Picasso, hat man 2006 an die Zahlen der ersten Zeit nach der Eröffnung (2003: 804.000, 2004: 750.000) anschließen können - und Besucherbefragungen hätten die Richtigkeit seines Konzeptes bestätigt. Für den Erfolg sei "vor allem der Entschluss, die Kunst der Zeichnung nicht als isoliertes Phänomen zu betrachten" verantwortlich: "Ich habe das Spartenmuseum befreit!" Für das Ausstellungsjahr 2007, in dem es neben Baselitz u.a. eine Biedermeier-Schau sowie Präsentationen zur Künstlergruppe Die Brücke, zu Kokoschka sowie zu Peter Fendi geben wird, rechnet Schröder mit einem Besucherrückgang, für 2008 mit einer Besucherzahl von "deutlich über einer Million". Van Gogh und eine zweite Ausstellung, über die Schröder noch nichts verraten will, sollen für Rekorde sorgen.

Die Erweiterung der Ausstellungsflächen um die "Jeanne und Donald Kahn Galleries" auf über 3.500 Quadratmeter habe sich außerordentlich bewährt, freut sich der Museumsleiter. Das ermöglicht es, die Sammlungen künftig auch abseits der großen Wechselausstellungen präsentieren zu können. In den Prunkräumen werden nach einer Klimatisierung und Abschottung von UV-Strahlen ab Mai im Zwei-Monats-Wechsel ständig rund 80 Werke von der Gotik und der Renaissance bis zu Klassik und Biedermeier gezeigt. Gleichzeitig können die in aller Welt verstreuten und in den vergangenen Jahren systematisch zurückgekauften klassizistischen und biedermeierlichen Originalmöbel in diesen historischen Räumlichkeiten aufgestellt werden. Zusätzlich wurden jüngst in den Depots des MAK 20 weitere Originalmöbel gefunden, die nun in den MAK-Werkstätten auf Rechnung der Albertina restauriert und künftig der Albertina als Dauerleihgabe übergeben werden.

Schröder gegen "partiellen Dirigismus" bei Museen

Bestände der Kunst nach 1960 sollen künftig in der 1.000 Quadratmeter großen Basteihalle in halbjährlichem Wechsel gezeigt werden. Die Sammlungen werden kontinuierlich erweitert. 2006 konnte neben Werken von Gertsch, Warhol und Rauschenberg dank der Österreichischen Ludwig Stiftung auch eine Zeichnung von Jackson Pollock, zu der die Albertina bereits das Gegenstück besitzt, erworben werden.

Schröder setzt für die Zukunft stark auf die neue Kooperation mit der Sammlung Rheingold, bei der sich die Albertina gegen Konkurrenz des MoMA New York und des Pariser Centre Pompidou durchsetzen konnte. Die Partnerschaft mit dieser 2001 von sechs deutschen Sammlern gegründeten bedeutenden Privatsammlung "kann für die österreichischen Museen so eine Langzeit-Erfolgsgeschichte werden wie die Österreichische Ludwig-Stiftung", versichert Schröder.

Zu den 5,7 Mio. Euro jährlicher Basisabgeltung des Bundes benötigt die Albertina künftig "mit Sicherheit vier bis fünf Millionen Euro mehr", sagt der Direktor. Von einem Mehrbedarf von 20 Millionen Euro bei den Museen war in den Regierungsverhandlungen die Rede, und Schröder hofft, dass sich die neue Ministerin "zunächst einmal alles genau ansieht. Ich möchte unseren Erfolg ebenso wenig als Malus verbucht sehen wie das Missmanagement bei anderen als Gratifikation." So sehr der versierte Manager das teilweise arg misslungene "Recruiting" der neuen Ministerriege kritisiert, so sehr ist er gleichzeitig überzeugt, dass die neue Kunstministerin Claudia Schmied, die er persönlich kennt und schätzt, ihren Job gut machen werde.

Das schließt die Hoffnung ein, dass die diskutierten Eingriffe in die Autonomie der Museen wieder verworfen werden: Das Vorhaben, den Museen zwölf eintrittsfreie Tage im Jahr vorzuschreiben, würde für die Albertina einen Abgeltungsbedarf von 600.000 Euro bedeuten, sei unausgegoren und laufe dem Bundesmuseengesetz zuwider. Auch ein "partieller Dirigismus" wäre verheerend. Man könne die in die Vollrechtsfähigkeit entlassenen Museen sinnvoller Weise weder per Gesetz noch per Appell zu mehr Koordination verpflichten. Jeder Direktor sei durch das bestehende Gesetz zur Pflege und zum Ausbau seiner Sammlungen verpflichtet, ein Austausch von Sammlungsteilen zur Vermeidung von Überschneidungen sei nur bei Direktionswechseln möglich.

Diese Chance habe man etwa bei der Österreichischen Galerie Belvedere verstreichen lassen. Dass dort künftig von der Mittelalter- und der Barocksammlung durch die Neustrukturierung nur noch ausgewählte Sammlungs-Highlights zu sehen sein werden, "bereitet dem ehemaligen Direktor Gerbert Frodl bereits schlaflose Nächte". Die neue Ministerin Schmied wird auch darüber entscheiden müssen, ob der Ende 2008 auslaufende Vertrag des Generaldirektors des Kunsthistorischen Museums (KHM), Wilfried Seipel, nochmals verlängert oder neu ausgeschrieben wird. "Sollte er nicht verlängert werden, was ich entgegen den meisten Beobachtern gar nicht glaube und meinem Freund Wilfried Seipel nicht wünsche, dann hoffe ich, dass sein Nachfolger mehr Einarbeitszeit haben wird als ich in der Albertina. Ich wurde damals Ende Mai bestellt und habe Ende August mein Amt angetreten. Das war kein Idealzustand." (APA)