Mit dem englischsprachigen Programm von Al Jazeera hat sich die Vielfalt der Weltnachrichten im Fernsehen aus Expertensicht vergrößert. Der Sender zeige verstärkt Nachrichten aus Teilen der Welt, die bei anderen Sendern "blinde Flecken" seien, sagte der Dortmunder Medienwissenschaftler Prof. Oliver Hahn der Deutschen Presse-Agentur. Als Beispiele nannte er die arabischen Teile Afrikas sowie Südostasien. Das englischsprachige Programm ging vor zwei Monaten am 15. November erstmals auf Sendung. Monopol von CNN und BBC "aufgeweicht"

"Al Jazeera Englisch hat das Monopol von CNN und BBC zwar nicht gebrochen, aber doch aufgeweicht", bilanzierte Hahn. Durch seine kulturelle Nähe zu Konfliktregionen wie etwa dem Nahen Osten oder dem Irak habe sich mit dem neuen Programm die Vielfalt der Perspektiven für den Fernsehzuschauer vergrößert. Dennoch sei der Sender nicht Sprachrohr arabischer Nationalisten und zeige keine einseitige Haltung zu Gunsten der palästinensischen oder arabischen Seite. In der Vergangenheit war der arabische Sender Al Jazeera wegen der Ausstrahlung von Videos der Terrororganisation Al Kaida in die Kritik geraten. "Ich bin der festen Überzeugung, dass sie auch im englischen Programm in einem solchen Fall wenig Zurückhaltung üben werden."

Sprachlich habe sich der Sender dem Westen angepasst und spreche nicht mehr von "Märtyrern", sondern von Selbstmordattentätern, erläuterte Hahn. "Andererseits übernehmen sie nicht den Euphemismus der israelischen Militärs und sprechen von Mord statt von 'gezielten Tötungen'." Genug Potenzial für die zahlreichen Nachrichtensender?

Ob Al Jazeera Englisch letztlich im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig sei, werde sich erst in den nächsten Jahren zeigen, betonte Hahn. Er sei sich nicht sicher, ob der Weltmarkt von Seiten der Werbekunden überhaupt genug Potenzial für die zahlreichen internationalen Nachrichtensender hergebe. Das vor gut zehn Jahren gestartete arabische Programm von Al Jazeera sollte bereits 2001 finanziell unabhängig sein, hängt aber nach wie vor am Tropf des Emirs von Katar.

Das Programm von Al Jazeera gilt in der arabischen Welt als Informationsquelle Nummer eins. Den Beginn des Senders bezeichnet Hahn als "journalistische Revolution", da damit erstmals unabhängiger Journalismus in der arabischen Welt Einzug gehalten habe. "Für die Demokratisierung und die Säkularisierung der Region hat es aber nichts gebracht", zieht der Wissenschaftler ein ernüchterndes Fazit. "Wünschenswert wäre ein neues zweisprachiges Format Englisch-Arabisch. Das könnte interkulturell zu einem besseren Verständnis beitragen." Vorbild könne der deutsch-französische Sender Arte sein. (APA/dpa)