Wien/Linz - Alfred Gusenbauer ist über den Parteiaustritt von Barbara Blaha nicht nur enttäuscht, er ist verärgert. Dass die ÖH-Vorsitzende der SPÖ den Rücken kehrt, ist ein verheerendes Zeichen nach außen und verstärkt überdies den parteiinternen Konflikt über die nicht erfolgte Abschaffung der Studiengebühren. Die SPÖ setze ihre Grundsätze nicht um, hatte die Studentenvertreterin kritisiert, von Alfred Gusenbauer sei sie zutiefst enttäuscht. "Gusenbauer hat die Studiengebührenthematik in den Verhandlungen nicht verloren, sondern verschenkt. Offensichtlich musste Schüssel Gusenbauer zur Aufgabe des Wahlversprechens nicht einmal überreden", kritisierten Blaha und Lina Anna Spielbauer vom ÖH-Vorsitzteam. Das Gusenbauer-Modell ist für sie nicht die zweitbeste Lösung, "es ist gar keine Lösung für die Probleme der Studierenden". Denn die "negativen Auswirkungen" der Studiengebühren blieben bestehen.

Blaha ist seit Juni 2005 im Vorsitzteam der Österreichischen Hochschülerschaft. Gemeinsam mit ihr verlässt auch VSStÖ-Vorsitzende Sylvia Kuba die SPÖ. Ihre Funktion als rote Studentenchefin behält sie. Gusenbauer wirft den Studentenvertreterinnen nun vor, sich selbst aus dem Spiel genommen zu haben und der SPÖ damit nicht mehr als direkte Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.

Dennoch will der SPÖ-Vorsitzende und Bundeskanzler darauf drängen, dass die Österreichische Hochschülerschaft in jene Arbeitsgruppe eingebunden wird, die Vorschläge zu den sozialen Diensten als Alternative zu den Studiengebühren machen soll.

Es sind aber nicht nur die Studentenvertreter, die sich über die Studiengebühren ärgern, es gärt auch in den Landesorganisationen der SPÖ. Die oberösterreichische Landespartei wird in der Landesregierung einen Initiativantrag zur Abschaffung der Studiengebühren einbringen. "Wir wollen damit klar sichtbar machen, dass die Politik in Oberösterreich zur Abschaffung der Studiengebühren steht. Außerdem gilt es die Stimmen in der Bundesregierung, die für die Abschaffung eintreten, zu stärken", argumentiert der oberösterreichische SP-Klubobmann Karl Frais.

"Entschlossene Linie"

"Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit sind wichtige Tugenden in der Politik, die Landeshauptmannstellvertreter Erich Haider sowohl mit seinem Abstimmungsergebnis im SP-Bundesparteivorstand als auch mit der Initiative zur Abschaffung der Studiengebühren unter Beweis stellt. Die SP Oberösterreich wird daher auch gegenüber der neuen Bundesregierung eine entschlossene politische Linie vertreten, die von den Inhalten soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Fairness geprägt ist." Die Forderung nach Abschaffung der "unsozialen" Studiengebühren bleibe aufrecht.

Erich Haider feierte am Samstagabend in Linz seinen 50. Geburtstag. Die Kritik an Gusenbauer war bei der Feier das Hauptthema, auch wenn sich niemand traute, es Gusenbauer, der Haider die Ehre erwies, direkt ins Gesicht zu sagen. In seiner Laudatio auf Haider sprach der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch die Wahlversprechen aber an. In Oberösterreich würden sie nämlich gehalten. Applaus. Der Applaus für Gusenbauer fiel dagegen eher bescheiden aus. "Jeder Anfang ist schwer", sagte Gusenbauer, "wir werden uns aber nicht entmutigen lassen." Haider zeigte sich zu seinem Geburtstag schließlich versöhnlich, er sicherte ihm in seiner Rede Unterstützung zu - was ihm sichtlich schwer fiel.

"Klüger werden"

Eine Abschaffung der Studiengebühren hätte sich auch Bundespräsident Heinz Fischer gewünscht. Das machte er am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" klar. Er sei immer dafür eingetreten, die Unis von möglichst allen sozialen Barrieren zu befreien, weshalb er einst auch im Nationalrat gegen die Beiträge gestimmt hätte. Jetzt wäre er "froh gewesen, wenn man auf die Studiengebühren verzichten kann", erklärte Fischer.

Dass man den Koalitionspakt jetzt wegen der Gebühren noch einmal aufschnüren könnte, wie dies einzelne SPÖ-Funktionäre erwogen hatten, glaubt Fischer aber nicht: "Was man unterschrieben hat, das hält man ein." Allerdings könne man im Regierungsprogramm vereinbarte Punkte weiterentwickeln. "Man kann ja im Lauf des Lebens klüger werden."

Für die Proteste der Studentenvertreter zeigte der Bundespräsident Verständnis: "Irgendwie kann ich mich in die jungen Menschen hereinversetzen, weil ich selber mal Hochschulfunktionär war." Und auch da habe er nicht immer das als richtig empfunden, was die handelnden Politiker gemacht haben. So sei auch er im Zusammenhang mit sozialen Fragen für Studierende auf die Straße gegangen, sagte Fischer.

Beim zweiten großen Streitthema, den Eurofightern, betonte Fischer bloß, dass der Vertrag einzuhalten sei. Auch wenn man Veränderungen oder einen Ausstieg vornehme, müsse das auf Basis der bestehenden Rechtslage passieren, erklärte der Präsident.

Kein Problem hat Fischer damit, dass mit Norbert Darabos ein ehemalige Zivildiener die Aufgabe des Verteidigungsministers übernommen hat. Der neue Ressortchef habe ihm in einem persönlichen Gespräch versichert, dass er sich durch seine Vergangenheit in keiner Weise beeinträchtigt fühle, alle Rechte und Pflichten wahrzunehmen, beruhigte der Präsident. (Michael Völker, DER STANDARD, Print, 15.1.2007)