Angefangen hat alles mit einem Artikel im deutschen Nachrichten-Magazin "Spiegel": Ende vergangenen Jahres erläuterte dort der Autor René Pfister unter dem Titel "Der neue Mensch" die Gefahren, die seiner Ansicht nach durch den Einsatz von "Gender Mainstreaming" als eine Art Umerziehungsprogramm der Geschlechter hervorgingen. Polemisch und mehr verschwörungstheoretisch- als faktenbasierend reihte der Autor dabei politische Maßnahmen der deutschen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, die in ihrem Ministerium ein eigenes Referat zu "Gender Mainstreaming und Antidiskriminierung" verankert hat, an die pädagogische Jungenarbeit des Berliner Vereins "Dissens", dem vorgeworfen wird, an der "Zerstörung von Identitäten" (von Jungen, Anmerkung der Redaktion) zu arbeiten sowie an Theorien der US-amerikanischen Gender-Theoretikerin Judith Butler. "Den Gender-Theoretikern" (sic!) sei es gelungen, "aus ihrer akademischen Nischendisziplin ein bürokratisches Großprojekt zu machen," so Pfister. Die Ausbreitung der Gender-Theorie, also die Annahme von der sozialen Konstruiertheit von Geschlechterrollen, hätte dazu geführt, dass in der Politik "neue Rollenbilder" für die Menschen entwickelt würden.

In Deutschland hat der Artikel zahlreiche Reaktionen hervorgerufen. In der taz kritisiert Autorin Heide Oestreich ("Vorsicht vor kastrierenden Lesben") die Diffamierung der ProtagonistInnen der Gleichstellungspolitik. Das Netzwerk "Gender Mainstreaming Experts International" (GMEI) übermittelte der Redaktion des Spiegels ein schriftliches Angebot über einen Qualifizierungsworkshop zu Gender Mainstreaming. Grund für das ungefragte Angebot: Der Spiegel-Artikel weise erhebliche Ungereimtheiten auf, würde der aktuellen Fachdiskussion nicht gerecht werden und sei in verschiedenen Zusammenhängen als untergriffig zu bezeichen, argumentierte das Netzwerk in einer Aussendung.

"Politische Geschlechtsumwandlung"

Die rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" schloss sich dem Spiegel-Artikel an, um gegen das "Großexperiment der 'politischen Geschlechtsumwandlung'" (zitiert nach Volker Zastrow) zu wettern ("Im Labor der Menschenzüchter").

Am Freitag (19.20 Uhr) widmet die 3sat-Kultursendung "KulturZeit" der Diskussion einen Beitrag. Unter dem Titel "Feministische Nachhilfestunde - Gender Mainstreaming erobert die Politik" stellt die Sendung die Frage, was hinter "Gender Mainstreaming" nun tatsächlich steckt: Die konsequente Fortsetzung der Frauenförderpolitik der letzten Jahrzehnte oder ein anderer "repressiver Feminismus". (freu)