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Wahlplakat für Serbiens Premier Vojislav Kostunica in Belgrad. Seine "Demokratische Partei Serbiens" (DSS) setzt auf Nationalismus und soziale Themen.

Foto: Reuters
Kommenden Sonntag finden in Serbien Parlamentswahlen statt. Premierminister Vojislav Koštunica versprach in der Zastava-Stadt Kragujevac neue Autos und Arbeitsplätze. Andrej Ivanji begleitete ihn auf seiner Wahlkampftour.

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Düster und herabgekommen sieht Kragujevac aus. Die einst blühende Industriestadt im Herzen Serbiens wird heute „Tal des Hungers“ genannt. Die Stadt lebte von den Autowerken „Zastava“, in denen auch Waffen hergestellt werden. Die Kriege, das Wirtschaftsembargo, der Übergang zur Marktwirtschaft haben das Unternehmen aber ruiniert. Während der Nato-Luftangriffe wurde ein Teil der Fabrik zerstört. Fast 20.000 Menschen wurden entlassen, jede zweite Familie lebt an der Armutsgrenze. Arbeiter wurden zu Lumpenproletariern.

Hoch lebe Serbien

Das einstige Markenzeichen von Kragujevac, der eckige Kleinwagen „Yugo“, ist technisch überholt und nicht konkurrenzfähig. Wegen den riesigen Schulden war kein Auslandpartner an „Zastava“ interessiert. Aus Angst vor sozialen Unruhen wagte bisher aber keine serbische Regierung, die bankrotte Fabrik zu schließen.

Bunte Wahlplakate versprechen nun in Kragujevac ein besseres Leben. Unter dem Motto „Hoch lebe Serbien“ kommt die Wahlkampagne der von der „Demokratischen Partei Serbiens“ (DSS) angeführten Koalition von Volksparteien in die Stadt. DSS-Funktionär und Wirtschaftsminister Predrag Bubalo stellt feierlich in der Autofabrik einen neuen Deal mit dem italienischen Fiat und moderne Fließbänder vor: die Karosserie für den „Punto“ soll in Kragujevac hergestellt werden. Die Regierung musste zuvor die Schulden von 460 Millionen Dollar für die künstlich am Leben erhaltene „Zastava“ übernehmen und 45 Millionen Euro an Fiat zahlen.

Die Kundgebung der völkischen Allianz findet in der Sporthalle „Jezero“ statt. Hand in Hand mit dem national-konservativen Premier, Vojilsav Koštunica, marschiert der serbische Minister für Investitionen, Velimir Ilic, ein. Der Held aus der Provinzstadt Èaèak ist Vorsitzender der Partei „Neues Serbien“ (NS). Ilic ist ein Machotyp, der serbische Volkslieder mag, vor laufenden Kameras flucht und Schnaps trinkt.

„Besser Slivovic mit serbischen Bauern als Whisky mit ausländischen Spionen“, sagt der Minister dem amüsierten Plebs. Er rühmt sich damit, in den vergangenen drei Jahren etliche Straßen gebaut und Serbien „asphaltiert“ zu haben. Mehrmals hat der impulsive Minister Journalisten, die unangenehme Fragen stellen, gedroht und physisch angegriffen. Mit Koštunica verbinden ihn nationale Ideen und die Verehrung der serbisch-orthodoxen Kirche.

Der zweite Koalitionspartner von Koštunica ist der Bürgermeister von Jagodina und Führer der Partei „Einheitliches Serbien“, Dragan Markovic genannt „Palma“. Sein privater TV-Sender „Palma“ zeigte jahrelang harte Pornofilme. Der Showman glorifiziert Koštunica, weil er Volkslieder singt und das „Volk liebt und versteht“. Markovic ist ehemaliger Mitläufer und Partner des erschossenen Kriminellen und berüchtigten Kommandanten der Freischärler, Zeljko Raznatovic Arkan, dem Kriegsverbrechen in Kroatien und Bosnien nachgesagt werden. Palma könnte sich als die größte Hürde bei künftigen Koalitionsverhandlungen der DSS mit bürgerlichen Parteien erweisen.

Bin einer von euch

Bescheiden und stets verlegen wirkend schreitet Koštunica endlich auf die Bühne. Ich bin einer von euch, sagt er mit jeder Geste. Die Masse jubelt frenetisch. Koštunica preist das Völkische, die Tradition. Er werde nicht zulassen, dass die serbische Identität wegen Anpassungen an europäische Werte ihren Glanz einbüßt. In der Arbeiterstadt Kragujevac erwähnt Koštunica mit keinem Wort die mangelnde Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal für Kriegsverbrechen oder die ins Stocken geratenen Gespräche über die EU-Integration Serbiens. Hier geht es um neue Autos, die gebaut werden sollen. Er verspricht Arbeitsplätze und einen höheren Lebensstandard. Die von Koštunica angeführten Volksparteien setzen alle auf nationale Ideologie und soziale Parolen. Wir wollen nach Europa, ist ihre Botschaft, aber nicht um jeden Preis. Serbien werde seine europäische Zukunft nicht mit dem Verlust des Kosovo bezahlen, verspricht Koštunica noch feierlich. Denn ohne Kosovo gebe es auch kein Serbien. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2007)