Düster und herabgekommen sieht Kragujevac aus. Die einst blühende Industriestadt im Herzen Serbiens wird heute „Tal des Hungers“ genannt. Die Stadt lebte von den Autowerken „Zastava“, in denen auch Waffen hergestellt werden. Die Kriege, das Wirtschaftsembargo, der Übergang zur Marktwirtschaft haben das Unternehmen aber ruiniert. Während der Nato-Luftangriffe wurde ein Teil der Fabrik zerstört. Fast 20.000 Menschen wurden entlassen, jede zweite Familie lebt an der Armutsgrenze. Arbeiter wurden zu Lumpenproletariern.
Hoch lebe Serbien
Das einstige Markenzeichen von Kragujevac, der eckige Kleinwagen „Yugo“, ist technisch überholt und nicht konkurrenzfähig. Wegen den riesigen Schulden war kein Auslandpartner an „Zastava“ interessiert. Aus Angst vor sozialen Unruhen wagte bisher aber keine serbische Regierung, die bankrotte Fabrik zu schließen.
Bunte Wahlplakate versprechen nun in Kragujevac ein besseres Leben. Unter dem Motto „Hoch lebe Serbien“ kommt die Wahlkampagne der von der „Demokratischen Partei Serbiens“ (DSS) angeführten Koalition von Volksparteien in die Stadt. DSS-Funktionär und Wirtschaftsminister Predrag Bubalo stellt feierlich in der Autofabrik einen neuen Deal mit dem italienischen Fiat und moderne Fließbänder vor: die Karosserie für den „Punto“ soll in Kragujevac hergestellt werden. Die Regierung musste zuvor die Schulden von 460 Millionen Dollar für die künstlich am Leben erhaltene „Zastava“ übernehmen und 45 Millionen Euro an Fiat zahlen.
Die Kundgebung der völkischen Allianz findet in der Sporthalle „Jezero“ statt. Hand in Hand mit dem national-konservativen Premier, Vojilsav Koštunica, marschiert der serbische Minister für Investitionen, Velimir Ilic, ein. Der Held aus der Provinzstadt Èaèak ist Vorsitzender der Partei „Neues Serbien“ (NS). Ilic ist ein Machotyp, der serbische Volkslieder mag, vor laufenden Kameras flucht und Schnaps trinkt.
„Besser Slivovic mit serbischen Bauern als Whisky mit ausländischen Spionen“, sagt der Minister dem amüsierten Plebs. Er rühmt sich damit, in den vergangenen drei Jahren etliche Straßen gebaut und Serbien „asphaltiert“ zu haben. Mehrmals hat der impulsive Minister Journalisten, die unangenehme Fragen stellen, gedroht und physisch angegriffen. Mit Koštunica verbinden ihn nationale Ideen und die Verehrung der serbisch-orthodoxen Kirche.
Der zweite Koalitionspartner von Koštunica ist der Bürgermeister von Jagodina und Führer der Partei „Einheitliches Serbien“, Dragan Markovic genannt „Palma“. Sein privater TV-Sender „Palma“ zeigte jahrelang harte Pornofilme. Der Showman glorifiziert Koštunica, weil er Volkslieder singt und das „Volk liebt und versteht“. Markovic ist ehemaliger Mitläufer und Partner des erschossenen Kriminellen und berüchtigten Kommandanten der Freischärler, Zeljko Raznatovic Arkan, dem Kriegsverbrechen in Kroatien und Bosnien nachgesagt werden. Palma könnte sich als die größte Hürde bei künftigen Koalitionsverhandlungen der DSS mit bürgerlichen Parteien erweisen.
Bin einer von euch