Graz erlebte mit Rigoletto (Andrzej Dobber) endlich wieder eine spannende, turbulente Premiere.

Foto: Grazer Oper/Manninger
Graz - Regisseure könnten es sich mit diesem Bühnenknaller um Flüche, Liebe, Missverständnisse und Mord leicht machen, ihn einfach seinen Lauf nehmen lassen. Um Bühnenwirksamkeit müssten sie sich wenig scheren, schätzten kluge Musikdramatiker wie Verdi die Versvorlagen doch gerade wegen deren schaurig-schönen Überhöhung.

Dass Tatjana Gürbaca für ihren Rigoletto den steinigen Weg der Neudeutung wählt, spricht für sie (auch wenn das Publikum es anders sehen wollte). Nicht so sehr der verruchte Kriminalfall samt tragischem Verpackungsirrtum interessiert sie, sondern die damit konnotierten gesellschaftlichen Deformationen. Und folgerichtig ist der Hofnarr zumindest äußerlich auch keiner mehr. Ein deformierter Clown ist er trotzdem, genau so wie seine Arbeitgeber, eine ausgepowerte Männerriege. Deren müder Chef hat den Führungsanspruch zugunsten seines Selbstfindungstrips abgegeben. Und auch Teenie Gilda kann ihren Überdruss schwer verbergen und ihren Alten nicht mehr für voll nehmen, wenn er von Ehre spricht.

Auch wenn wohl nur eine Familienaufstellung Licht in ihr Herkunftsdunkel bringen könnte, interessiert sich das Gör weniger dafür als für das "erste Mal" mit dem Adligen, der ihr als einfacher "Student" nachstellt. Zwar scheinen in dieser Welt der inneren Zwänge alle gegen ihre eigene Befindlichkeit zu meutern. Doch nur eine Figur begehrt gegen das Faktum, dass alles und jeder käuflich ist, bis zur letzten Konsequenz (als Selbstmordattentäter) auf: Monterone. Gürbaca stellt ihr Personal präzise auf. Unbeholfene Gesten haben keinen Platz.

Klaus Grünberg (Bühne) und Silke Willrett (Kostüme) entwerfen dafür eine adäquate Optik: mit labyrinthisch gestellten Holztürmen, mattem Licht und fahlem Dresscode. Hier ist der Machtbezirk nicht mehr vom privaten Bereich trennbar. Nur im letzten Bild ist man mitten in der wohlvertrauten Barackenherrlichkeit des südwestlichen Graz wieder, irgendwo zwischen Puntigam und Straßgang. (Noch) nicht alle Fäden laufen im Musikalischen zusammen. Zwar müht sich Dirk Kaftan um die großen koordinierenden Gesten, doch sind die Tempi mitunter kantig, nicht immer sängerfreundlich.

Andrzej Dobber ist ein subtiler Verdi-Bariton, der die Titelpartie exemplarisch artikuliert und darstellerisch überzeugt. Andrej Dunaev verleiht dem Herzog den richtigen Mix aus Dramatik und Schmelz. Margareta Klobucar ist eine präsente Gilda mit noblem Legato, die zuweilen mit der unbarmherzigen Höhe ringt. Qualitätsvoll auch Tamara Klivadenko als Maddalena (weniger Hure, mehr mitfühlende Gilda-Verbündete), Wilfried Zelinka (als beinahe aristokratischer Sparafucile) und Konstantin Sfiris als Monterone. Fazit: Nach langem wieder eine spannende Operndeutung. Das fast mitinszeniert wirkende Buh-Gegröle vermag daran nichts zu ändern. (Peter Stalder/ DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2007)