Dresden - In grenzüberschreitenden Scheidungs- und Erbrechtsfällen soll Familien in der Europäischen Union künftig das Leben erleichtert werden. Die 27 EU-Staaten streben demnach bürgernahe Vereinfachungen an.

Die amtierende EU-Ratspräsidentin, die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries, sagte im Hinblick auf das Scheidungsrecht, die Ehepartner sollten die Wahl erhalten, welches Recht in ihrem Falle angewendet werden solle. Dieses Wahlrecht müsse aber Grenzen haben. So könne ein deutsch-französisches Paar, das in Irland lebt, nicht das estnische Scheidungsrecht wählen. "Es darf keine Absurditäten geben", so Zypries.

Kein "Windhundprinzip" mehr

Für den Fall, dass das betreffende Paar sich im Ehevertrag nicht auf Scheidungsregularien festgelegt habe, müssten Kriterien bestimmt werden, nach denen das zuständige Gericht und das anzuwendende Nationalrecht ausgesucht werden. Als Kriterien komme die Staatsangehörigkeit der Partner oder der Wohnort in Frage. Nicht mehr angewendet werden solle das "Windhundprinzip", wonach derjenige Ehepartner Recht und Gericht auswählen dürfe, der am schnellsten agiere. Der schwächere Partner müsse geschützt werden, sagte Zypries.

Angesichts der offenen EU-Binnengrenzen leben, arbeiten und heiraten immer mehr Bürger im europäischen Ausland. In Dresden wies EU-Justizkommissar Franco Frattini darauf hin, dass daher auch immer mehr EU-Bürger eine stärkere Einmischung der EU im Familienrecht forderten, das eigentlich in die Zuständigkeit der Nationalstaaten fällt.

Auch Unterhalts- und Erbrecht betroffen

Zypries sagte nach Beratungen des EU-Innen- und Justizministerrates am Montag in Dresden, im Grundsatz seien sich alle Mitgliedstaaten einig in dem Bestreben, für die Bürger praktikable Regeln zu finden. Als größte Schwierigkeit nannte Zypries die Überwindung des Widerstandes derjenigen Mitgliedstaaten, die es ablehnten, dass ihre Richter bei Urteilen ausländisches Recht anwenden müssten. Gemeinsame Mindeststandards wollen die EU-Staaten laut Zypries auch beim Unterhaltsrecht und beim Erbrecht finden.

Ein am Montag veröffentlichtes Eurobarometer ergab, dass 76 Prozent der 25.000 Befragten von der EU erwarten, die Anerkennung von Dokumenten wie Geburts- und Heiratsurkunde über den Zivilstatus zu erleichtern. Ebenso viele fordern, dass die EU die Adoption von Kindern aus einem anderen EU-Staat erleichtert. 67 Prozent befürworten Erleichterungen innerhalb der EU beim grenzüberschreitenden Unterhaltsrecht, und 63 Prozent wollen einfachere Erbschaftsregeln in Kraft sehen. 60 Prozent fordern, dass sich die EU in grenzüberschreitende Scheidungen einmischt. (APA/AP/dpa)