Wien - Frau Maria - bleiben wir bei ihrem Künstlernamen - hat einen gleichermaßen ungewöhnlichen wie peinlichen Medienprozess in erster Instanz verloren. In den Augen der Richterin hat sie die Familie Schüssel "eines unehrenhaften Verhaltens bezichtigt, das geeignet war, diese in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen". Sie spielte, exklusiv für die Zeitschrift News, die illegale slowakische Pflegerin der Schwiegermutter des Exkanzlers. Keine glanzvolle Rolle, wird auch wohl nie wieder nachbesetzt. Frau Maria wird wegen übler Nachrede zu 200 Euro Geldstrafe verurteilt, hat aber so gar nicht das Gefühl, billig davongekommen zu sein, und geht in die Berufung.

"Scheckbuchjournalismus"

Als Wahlkampf noch ein Thema war, war der Pflegenotstand gerade heiß. Sachbuchautor Hans Weiss behauptete in einem Leserbrief im Standard eher beiläufig, auch die Schüssels beschäftigten daheim, bei der Mama, illegales Pflegepersonal. Journalistisch war es daraufhin natürlich reizvoll, solches kennen zu lernen und beim Namen zu nennen. Diesen Wunsch schien Weiss der am vehementesten auf Enthüllung drängenden Zeitschrift News zu erfüllen. Er stellte ihnen seine gute Freundin als vermeintliche Pflegerin Maria vor und lud zum Interview in ihre Wohnung am Wiener Schwarzenbergplatz. Die immer wieder aufs Neue gestellte Frage im Prozess: Warum tat er das, und warum machte die 52-jährige niveauvolle und selbstverständlich unbescholtene Frau da mit? - "Wir wollten aufzeigen, wie Schlüsselloch- und Scheckbuchjournalismus bei News funktioniert", behauptet Weiss. Krista Schüssel und ihre Schwester, die Klägerinnen, schütteln den Kopf: Dass das der Grund war, glauben sie nicht. "Ich hab auch niemals damit gerechnet, dass die das veröffentlichen", beteuert Zeuge Weiss: "Aber News macht ja aus jedem Furz eine Sensation."

Im Interview behauptete Frau Maria, sie sei von den Schüssels weit unter dem üblichen Mindestlohn beschäftigt worden, wobei die Schwestern wussten, dass sie illegal arbeitete. Der Journalist legt dazu als Zeuge seine Mitschrift vor. Und so stand es dann auch in der Zeitung. "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass das ein Fake war", sagt der Interviewer. "Für mich war Hans Weiss als preisgekrönter Autor absolut seriös."

Martina statt Maria

"Und ich habe nie vorgehabt, Sie zu kränken oder zu desavouieren", entschuldigt sich die falsche Pflegerin bei den Klägerinnen. Mit ihnen verbindet sie die tatsächlich existente, offenbar echte (wenn auch plötzlich verschwundene) slowakische Pflegerin Martina, die sowohl bei den Schüssels als auch bei der Beschuldigten Maria (für deren Mutter) gearbeitet hatte. Sie sei es auch gewesen, die Maria von der Pflegesituation im Hause des Exkanzlers erzählt hatte.

Für Richterin Nina Steindl gibt es auch am Ende des Prozesses "keine Anzeichen", dass im Hause Schüssel eine illegale Pflegerin beschäftigt gewesen sei. Den Pflegetipp für ihre Mutter hatten die Schwestern Schüssel von Ärzten im Krankenhaus bekommen. Der Verein, so hieß es, arbeite ehrenamtlich und freue sich über ein Taschengeld für die Helferinnen. Die Kanzlerfamilie zahlte etwa 1600 Euro monatlich und unterstützte zusätzlich den Verein.

Auf Sachbuchautor Weiss kommen gröbere Probleme mit der Zeitschrift News zu. Das Magazin hat ihn - bei einem Streitwert in der Höhe von 62.200 Euro - zivilrechtlich geklagt. (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe, 17.01.2007)