ZUR PERSON
Robert Schiestl (47) studierte in Wien Biologie und Biochemie. 1984 kam er mit einem Forschungsstipendium erstmals nach Nordamerika, wo er in der Folge an verschiedenen Universitäten (Edmonton, Rochester, Chapel Hill, Harvard) in Kanada und den USA tätig war. Heute ist er Professor für Pathologie an der University of California in Los Angeles aus. Derzeit hält er bei 120 Publikationen, die in 6500 Arbeiten zitiert sind. Die Gastprofessur in Wien am Institut für Krebsforschung von Michael Miksche tritt Schiestl wahrscheinlich im Juni 2007 an.

Foto: Standard/Brainpower

"Zwanzig Jahre hat kein Hahn nach den Auslandsösterreichern gekräht. Jetzt wurde ein Programm aus dem Boden gestampft."
Robert Schiestl ist Professor für Pathologie in Los Angeles. Er befasst sich dazu noch mit Umweltmedizin, Strahlenschutz und Ernährungswissenschaft. Mit dem umtriebigen Austroamerikaner, der nun bald wieder ein Standbein in Wien hat, sprach Bert Ehgartner.

Standard: Sie werden der erste Wissenschafter sein, der das neu geschaffene Gastprofessuren-Programm von Brainpower Austria in Anspruch nimmt. Nach mehr als 20 Jahren Forschungsarbeit in den USA und Kanada ergibt sich damit ein Weg zurück nach Österreich. Warum interessiert Sie dieses Angebot?
Schiestl: Es interessiert mich nicht nur, ich habe sogar in gewisser Weise dazu beigetragen, diese Idee umzusetzen, indem ich in einer E-Mail einige mögliche Vorteile so eines Programms skizziert habe. Und das ist für mich eine ganz neue Erfahrung mit Österreich. Denn statt dass man mir gesagt hat, so ein Programm gibt es nicht, hat man jetzt – nachdem zuvor 20 Jahre lang kein Hahn nach den Auslandsösterreichern gekräht hat – ganz einfach eines aus dem Boden gestampft.

Standard: Was sind denn die konkreten Vorteile?
Schiestl: Ein organisatorischer Vorteil ist, dass man dazu keine Personal-Planstellen braucht, weil es sich um Teilzeitbeschäftigungen handelt. Alles was man braucht, ist etwas Unterstützung zum Aufbau oder zur Renovierung eines Labors, eine Assistentenstelle, eine Teilzeitsekretärin und vielleicht ein bissl ein Startkapital. Da die ausländischen Kollegen oft über wesentlich höhere Erfahrung im Geldbeschaffen verfügen, könnte dies einen weiteren positiven Effekt auf die Konkurrenzfähigkeit österreichischer Wissenschaft geben.

Standard: Und selbst brauchen Sie kein Gehalt?
Schiestl: Der Hauptgrund meiner Gastprofessur ist nicht die Bezahlung, sondern dass ich die Zusammenarbeit mit meinem Heimatland wieder schätzen würde. Einen Beitrag zur österreichischen Wissenschaft zu leisten mit meiner Fähigkeit, Forschungsgelder zu organisieren und Publikationen zu schreiben. Mein Labor in den USA ist mit zehn Grants in der Höhe von sieben Mio. Dollar für die nächsten fünf Jahre gefördert.

Standard: Das Programm wäre also auch eine gute Möglichkeit, einige durch den "braindrain" in die USA verloren gegangenen Forscher schrittweise wieder zurückzuholen.
Schiestl: Klar. Im Zuge der Gastprofessur lernt man die Kollegen kennen und das österreichische System. Dadurch verringert sich der so genannte Reverse-Kulturschock – und auch die Schwellenangst, hier später mal eine Professur anzunehmen ist nicht so groß, wenn man schon Grants und eine produktive Zusammenarbeit hat.

Standard: Sie haben viel Fachbeiträge publiziert und sind in den unterschiedlichsten Fachgebieten tätig. Was sind Sie denn nun eher? Krebsforscher, Pathologe, Ernährungswissenschafter?
Schiestl: Das überschneidet sich oft. Wir testen 60.000 Chemikalien auf ihren potentiellen Schutzeffekt vor röntgenstrahleninduziertem Krebs. Wir testen, ob bestimmte Substanzen in der Lage sind, Genschäden zu reparieren und fanden beispielsweise, dass Granatapfeljuice ein enormes antioxidatives Potenzial hat. Wir untersuchen das schädliche Potenzial von Chrom, das verrückterweise sogar in Nahrungsergänzungsmitteln drinnen ist, weil es angeblich den Diabetikern hilft. In Wahrheit sind diese Chrom-Tabletten ein großes Krebsexperiment, weil sie genetische Instabilität bewirken. Oder wir prüfen in Kooperation mit der Nasa, ob wir etwas zur Auswahl der Astronauten beitragen können, indem wir herausfinden, welche Mutationen die Sensitivität gegen durch Weltraumstrahlung induziertem Krebs erhöhen.

Standard: Und was wollen Sie in Wien untersuchen?
Schiestl: Wir wollen klären, warum bestimmte Subpopulationen eine genetische Präposition für bestimmte Tumorarten haben und sehen, wie man dieses Risiko durch Ernährung korrigieren kann. Außerdem wollen wir sehen, welche Gefahr von bestimmten Nanopartikeln ausgeht. Das ist etwas völlig neues, weil nichts über diese Materialien bekannt ist. Dadurch, dass sie so winzige Teilchen sind, haben sie teilweise andere chemische Eigenschaften als das Ausgangsmaterial. Titan ist völlig unproblematisch als Metall und wird in vielen Produkten verwendet. Titaniumoxid-Partikel sind hingegen etwas anders, weil sie so klein sind – zusammengenommen aber eine wesentlich größere Oberfläche haben. Und unsere neuesten Daten zeigen, dass dies einen oxidativen Stress auslöst und damit genetische Instabilität induziert.

Standard: Und wie testen Sie dieses Risiko?
Schiestl: Wir verwenden zwölf verschiedene Mausstämme, die ein erhöhtes Krebsrisiko in verschiedenen Organen haben.

Standard: Was sich im Mausversuch bewahrheitet, muss nicht bei Menschen gelten.
Schiestl: Nicht unbedingt, aber es ist zumindest ein gutes Zeichen, dass man bestimmte Dinge probieren soll. Wir haben beispielsweise gefunden, dass bestimmte Antioxidantien bei Mäusen mit einer auch bei Menschen vorkommenden Genmutation die Krebshäufigkeit um die Hälfte heruntersetzt. Jetzt gibt es bei Kinder-Krebspatienten einen klinischen Versuch, wo nachgesehen wird, ob das Ergebnis hält. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.1. 2007)