Bild nicht mehr verfügbar.

Gegner der Liberalisierung fürchten, dass kleinere Bahngesellschaften wie die ÖBB durch große Nachbarn wie die Deutsche Bahn schwer unter Druck kommen.

Foto: APA/EPA/Rossig
Wer im Jahr 2010 mit der Bahn von Wien nach München fahren will, wird sich vermutlich entscheiden müssen: eine Fahrt wie gewohnt mit den ÖBB, oder lohnt ein Versuch mit der konkurrierenden Deutschen Bahn, die vielleicht als Bonus eine Gratisübernachtung in München drauflegt? Oder probiert man doch den privaten Billiganbieter?

Abstimmung am Donnerstag

Geht es nach den Plänen der EU-Kommission und der Mehrheit des Parlamentes, kommt es schon sehr bald zu einer umfassenden Liberalisierung des Personen-Bahnverkehrs. Ab 2010 sollen grenzüberschreitende Bahnverbindungen für private Konkurrenz geöffnet werden, und spätestens in zehn Jahren soll es auch beim Inlandsverkehr so weit sein, sieht der Antrag des Parlaments-Berichterstatters Georg Jarzembowski vor, über den morgen, Donnerstag, abgestimmt wird.

Die Befürworter der Liberalisierung führen an, dass mehr Wettbewerb die Qualität und Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Verkehrs deutlich anheben würde, wie dies beispielsweise bereits in den Bereichen Post und Telekom geschehen sei, meint der für die Materie zuständige ÖVP-EU-Abgeordnete Reinhard Rack. Die Gegner führen dagegen an, dass im EU-Vergleich kleinere Bahngesellschaften wie die ÖBB durch große Nachbarn wie die Deutsche Bahn schwer unter Druck kommen würden. "Die Deutsche Bahn könnte sich die Rosinen herauspicken, während die ÖBB auf den weniger Interessanten Strecken sitzen bliebe. Der Steuerzahler müsste dann noch tiefer in die Tasche greifen," befürchtet der SPÖ-EU-Abgeordnete Jörg Leichtfried.

Völlige Neuordnung

Das Problem mit dem "Rosinenpicken" soll durch eine völlige Neuordnung der staatlichen Zuschüsse gelöst werden. Bisher bekommen die ÖBB vom Staat als Ausgleich für Leistungen im öffentlichen Interesse (etwa der Betrieb unrentabler Bahn-Nebenstrecken und Schülerfreifahrten) rund 500 Millionen Euro pro Jahr überwiesen.

Diese Mittel sollen in Zukunft nicht mehr an die ÖBB oder andere Verkehrsunternehmen überwiesen werden, sondern an Länder und Gemeinden, erläutert Rack. Gemeinde und Länder würden dann je nach Bedarf Aufträge an die Verkehrsunternehmen vergeben: etwa über eine Bus- oder Bahnlinie oder spezielle Verbindungen am Tagesrand für Pendler. Damit müssten die konkurrierenden Verkehrsunternehmen prinzipiell keine unrentablen Strecken mehr betreiben, und es wäre Sache der Politik, zu entscheiden, welche Verkehrsinfrastruktur zu welchen Preisen wo notwendig wäre.

Ungeklärt ist noch, ob die Bahnen der EU anlässlich der Liberalisierung auch Abschied von "ihrem" Schienennetz nehmen müssen. Es könnte sein, dass die Ausgliederung nicht genug ist, meinte ein Experte. Denn der Staat könnte als Eigentümer einer Bahnlinie und des Streckennetzes in Interessenskonflikte geraten und neue Mitbewerber benachteiligen. Ähnliche Verhältnisse in der Energiewirtschaft bekämpft die Kommission gerade.

Entschädigung bei Verspätungen

Neben der Liberalisierung soll im Eisenbahnpaket auch die Verbesserung und Ausweitung der Kundenrechte beschlossen werden. Den Vorschlägen des Parlaments zufolge sollen bei Verspätungen ab 60 Minuten die Fahrgäste 25 Prozent des Fahrpreises, bei mehr als 120 Minuten die Hälfte und bei mehr als drei Stunden Verspätung 75 Prozent des Fahrpreises zurückbekommen. Die Regelung ist zuerst für internationale Verbindungen vorgesehen und soll auch für das Inland übernommen werden. (Michael Moravec aus Straßburg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.1.2007)

Die Deutsche Bahn könnte schon bald als mächtiger Konkurrent in Österreich den ÖBB Fahrgäste abwerben. Ab 2010 soll der grenzüberschreitende Personenverkehr in der EU liberalisiert werden, der Inlandsverkehr folgt. Fotos: dpa, APA, Montage Karl Lux.