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AP Photo/Mark Lennihan
Für Microsoft war das verstrichene Jahr 2006 gespickt mit entscheidenden Terminen. Das neue Betriebssystem Windows Vista ist erschienen, die Office-Reihe erhielt eine Generalüberholung und nicht zuletzt versuchte man mit dem ersten eigenen Portable-Player Zune sein Glück gegen den iPod und Co.

Verkäufer und Innovator

Und Microsofts CEO Steve Ballmer weiß was zu tun ist, um an der Spitze zu bleiben. Es gilt die Kunden davon zu überzeugen, dass die Produkte bahnbrechend genug sind, um sie zu kaufen. Der IT-Riese mit einem Umsatz von 44 Milliarden Dollar muss in einen agilen Innovator gewandelt werden, moderne Businessmodelle müssen adaptiert werden und nicht zuletzt hat man Ausschau zu halten nach den Spitzentalenten, welche die Relevanz des Unternehmens auch noch in 25 Jahren garantieren sollen.

Geduldig

Als einer, der fünf Jahre nach der Firmengründung dazu gestoßen ist und nach eigenen Angaben anfangs kein Computerspezialist war, hat Ballmer die Stärke seines Konzerns mittlerweile im Blut. Der Fokus liegt auf Ausdauer und einer Langzeitstrategie. "Wir werden auf unseren langen Atem setzen. Wir planen nichts auf kurze Sicht. Und wenn wir im ersten Anlauf nicht erfolgreich sind, dann versuchen wir es weiter", so der exzentrische CEO gegenüber Knowledge@Wharton. "Wenn wir nicht das erreichen, was die Kunden wirklich wollen, machen wir weiter. Es hat uns drei Anläufe gekostet Windows zu etablieren und hätten wir nach dem ersten Versuch aufgegeben, sähe Microsoft heute anders aus. Leader müssen zeigen, dass sie geduldig sind."

Eigenschaften, die auch für Microsofts Ambitionen in neuen Gefilden, wie dem Markt der Spielekonsolen oder dem der mobilen Musik, zum Tragen kommen sollen, aber auch müssen. Die schwierige Aufgabe ist es, die 32 Milliarden starke Kaufkraft so flexibel einzusetzen, dass die neuen Märkte auch zielgerecht bedient werden können. "Ich glaube, gute Leader passen sich der Situation an, die sich ihnen stellt (...) vielleicht am wichtigsten ist es Menschen über deren Erfahrung reden zu hören und dann dein eigenes Modell zu konzipieren", meint Ballmer. "Du musst lieben, was du tust."

Kritische Masse

Ballmer ließ sich selbst, als er zu Microsoft stieß, von Bill Gates Vision inspirieren, einen Computer für jeden Schreibtisch zu ermöglichen. "Die Firma stand für diese größere Bedeutung, die man sich hinter seiner Arbeit wünscht. (...) Natürlich geht es ums Karriere machen, und auch ums Gewinnen, aber im Allgemeinen wollen die Menschen einen tieferen Sinn in ihrem Schaffen sehen", so Ballmer gegenüber Knowledge@Wharton. Der CEO widerspricht auch gleich dem weit verbreiteten Tenor, Microsoft sei nicht innovativ und betont, dass egal was sein Unternehmen auch tut, der Vater des Gedanken sei immer der Wille zur Innovation.

Aufholjagd

So sehr Microsoft sein innovatives Image auch pflegen mag, in einigen Geschäftsfeldern ist die Konkurrenz auch dem Primus weit voraus. Einer der Hauptkonkurrenten, Google, versteht es wie kein anderer, das Geschäft mit der Werbung im Internet für sich zu gewinnen. "Sie verstehen es wirklich und der Rest von uns muss jetzt lernen mitzuspielen." Was Ballmer in Bezug auf Google so begeistert, ist dass sein Unternehmen hier "extra clever und agil" sein muss und wenig überraschend ist er auch in dieser Hinsicht optimistisch, auf lange Sicht bestehen zu können. Was ihn so positiv stimmt, ist das große Potential, dass Suchmaschinen noch in sich bergen. Noch immer finden 50 Prozent der Anfragen nicht die gewünschten Ergebnisse. Platz für frische Ideen gibt es demnach genug, die Frage ist nur, ob Microsoft diese auch leisten kann. "Wir begreifen die Basics. Wir glauben, einige clevere Ideen im Ärmel zu haben."

Linux

Das zweite große Sorgenkind des Software-Giganten ist das freie Betriebssystem Linux. Die Frage ist hier, "ob Open-Source einen besseren Dienst leistet, als proprietäre Software (...) die frage ist, ob unbezahlte Freiwillige einen besseren Job machen als bezahlte Angestellte." Fragen die laut Ballmer alle Unternehmen in der Branche beschäftigen.

Talentsuche

Neben dem Hier und Jetzt steht für den Big-Player vor allem eine Herausforderung im Mittelpunkt: die Marktposition für die Zukunft abzusichern. Genau wie Google und Yahoo sei man darum bemüht die Rosinen herauszupicken, um die Innovationskraft zu gewährleisten. Auf die Frage, wo Microsoft in 25 Jahren sein wird, meint Ballmer: "Wir werden großartige Leute haben (...) und wenn wir tolle Leute haben (...) wird sich alles von selbst ergeben."

Preisfrage

Die größte Frage, die man sich hinter Microsofts "Strategie des langen Atems" stellen muss, ist wie weit der Konzern tatsächlich gehen kann. Wie viele XBOXs oder Zunes wird man sich noch leisten können, bevor man gewinnbringend agieren kann. Was der IT-Riese seinen Konkurrenten Sony (am Konsolenmarkt) und Apple (am mobilen Musikmarkt) voraus hat, sind die Cashcows Windows und Office. Mit Milliarden an Investitionskapital, könnte man praktisch jeden Markt aufrollen, ohne dabei im vornherein äußerst innovativ sein zu müssen. Gleichzeitig treiben die Cashcows den Konzern auch in eine ungeliebte Abhängigkeit. Sollte das Geschäft einbrechen, stünde man bis zum Knie im Sand und außer viel "Work in Progress" bliebe nicht.

Außenseiter

In den neuen Märkten wie dem Internet, sieht die Gefahr schon konkreter aus. Google entwickelt langsam eine Finanzkraft, die selbst das einstige, junge und flexible Start-up zum Giganten werden lässt, der selbst im fast verschwenderischen Maße in neue Konzepte und Ideen investieren kann. Der Riese Microsoft hat also, von zunächst unerwarteter Seite, einen ernsthaften Konkurrenten bekommen und der Wettlauf um die zukünftige Vormachtstellung hat begonnen. Ein Wettlauf, dem sich Microsoft stellen muss. Ein Wettlauf, in dem Microsoft die Nase nicht immer vorne hat und zum agilen Innovator werden muss, nach dem man sich zu sein sehnt und der man zu sein hat, will man auf lange Sicht bestehen. (zw)