Bild nicht mehr verfügbar.

Rudolf Hundstorfer, ÖGB-Chef

Foto: APA/Artinger
STANDARD: Wenn Sie vor einem Jahr gewusst hätten, was auf Sie zukommt, hätten Sie den Job genommen?

Hundstorfer: Ja. Zu versuchen, den Verein auf neue Beine zu stellen, das macht grundsätzlich Spaß. Vergnügungssteuerpflichtig ist es nicht. Es gibt ja auch positive Elemente – dass wir den inneren Dialog um ein Eckhaus transparenter haben als früher.

STANDARD: Stichwort Transparenz: Es ist durchgesickert, dass der ÖGB offenbar auch Parteispenden, insgesamt 4,9 Millionen Euro, zurückzahlen muss.

Hundstorfer: Das stimmt nicht. Es werden keine Parteispenden zurückgezahlt, sondern wir haben ordnungsgemäß die Zuwendungsabgabe entrichtet.

STANDARD: Diese Steuer sollte aber eigentlich aus den Fraktionskassen gezahlt werden.

Hundstorfer: Das haben wir erledigt, die Fraktionen müssen uns das überweisen.

STANDARD: Also ist das ein Darlehen an die Fraktionen?

Hundstorfer: So ist es. Eine Zwischenfinanzierung.

STANDARD: Apropos Darlehen: Wie ist das mit dem fällig gestellten 400-Millionen-Kredit der Bayerischen Landesbank? Warum wollen Sie nicht sagen, wer jetzt eingesprungen ist?

Hundstorfer: Da haben wir eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben.

STANDARD: Es heißt, Morgan Stanley, die beim Verkaufsprozess beraten hat, sei das.

Hundstorfer: Ich habe das nicht gesagt. Man hat sich bereit erklärt, uns zu helfen. Die Bayern haben uns Montag um 15 Uhr gesagt: Wir haben das Geld empfangen.

STANDARD: Fest steht: Aufgrund der finanziellen Situation muss der ÖGB sparen. Wie geht das weiter mit den Zusatzpensionen von ÖGBlern?

Hundstorfer: 520 haben bereits die Abfindung unterschrieben. Wir wissen von vielen, dass sie noch überlegen. Wir müssen mit zwei Dingen zurande kommen: Wir müssen eine Bilanz 2006 zustande bringen, und wir müssen mit diesen immens hohen Rücklagen runterkommen.

STANDARD: So haben seinerzeit auch die Voest und Schoeller-Bleckmann argumentiert. Für die Kürzung der Stahlpensionen hat der ÖGB relativ wenig Verständnis gehabt ...

Hundstorfer: Das ist richtig. Das Problem ist, dass wir in eine Lage gekommen sind, wo wir mit dem Rücken zur Wand stehen.

STANDARD: Ewald Nowotny hat vor Kurzem in einem Standard-Interview gesagt, seine große Enttäuschung sei der Herr Verzetnitsch. Ihre auch?

Hundstorfer: Da gibt es sicher eine persönliche Enttäuschung. Aber das ist für mich überwunden und erledigt.

STANDARD: Zur Politik: Da gibt es bei Gewerkschaftern ja auch Enttäuschungen über das Regierungsprogramm?

Hundstorfer: Na ja. Der massive Unterschied zu 2000 und 2003 ist der, dass wir jetzt eine Regierung haben, bei der die Sozialpartnerschaft auch wieder einen Stellenwert hat. Und das müssen wir jetzt ausnützen. Was uns ärgert, ist die ganze Studiengebührsache. Ich bin überhaupt nicht glücklich, wie mit den Studentenvertretern umgegangen wird. Wir werden versuchen, den Studenten eine Plattform zu bieten. Bei der GPA haben wir eine Studentengruppe, wir werden sie inhaltlich versuchen zu unterstützen, auch bei sozialrechtlichen Problemen, bei ungelösten Problemen, bei Praktikumsproblemen, wir versuchen die Schiene weiterzuentwickeln und ihnen gleichzeitig eine Heimat zu geben. Was uns auch nicht ganz glücklich macht, ist die Vorgangsweise bei den Pensionen.

STANDARD: Die Beschlusslage des ÖGB ist aber, dass die Pensionsreform zurückzunehmen ist.

Hundstorfer: Das ist korrekt und richtig. Es gibt vor allem keine Verschlechterung.

STANDARD: Also setzen Sie auf einen Appeasementkurs?

Hundstorfer: Ja, sicher, im Regierungsprogramm sind auch Punkte drinnen, die sehr positiv sind: die Frage der sozialen Absicherung der atypisch Beschäftigten, das ist ein Punkt, den wir sehr begrüßen. Das ist die Ausbildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr. Das sind zwei Highlights. Der ganze Komplex Arbeit und Wirtschaft ist vom Sozialpartnerpapier abgeschrieben.

STANDARD: Ist es für Arbeitnehmer, Gewerkschafter mit einer sozialdemokratisch geführten Regierung leichter, Veränderungen in der Arbeitswelt durchzusetzen?

Hundstorfer: Ich hoffe und gehe davon aus, dass es ein höheres Maß an Verständnis gibt als mit einer schwarz-blauen Regierung.

STANDARD: Beim Bundeskongress wird es auch einige kritische Wortmeldungen geben.

Hundstorfer: Logisch. Es gibt manche Dinge, die natürlich kritisch zu hinterfragen sind, wo wir aufpassen müssen. Natürlich gibt es Emotionen, umgekehrt ist es ein Kompromiss. Jetzt muss man gemeinsam schauen, wie wir da am besten zurechtkommen. Wir sind nicht bedingungslos und sagen: Hurra, das ist das beste aller Programme. Das werden Sie von uns nicht hören. Wir haben ein kritisches Ja.

STANDARD: Wie wird man in die nächsten Kollektivvertragsverhandlungen hineingehen? Vielleicht hat man ja jetzt auch Rückenwind durch eine sozialdemokratisch geführte Regierung?

Hundstorfer: Die Regierung ist kein Thema bei Kollektivvertragsverhandlungen. Was sicher ein Thema ist, sind die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wo wir einen gewissen Anteil verlangen werden. Sie hören aber von mir keine Kampfparole: „Jetzt schneiden wir hinein.“ Aber wir werden uns nicht nobel zurückhalten, sondern unseren Anteil abholen.

Zur Person Der ehemalige Gemeindebediensteten-Gewerkschafter Rudolf Hundstorfer (55) führt seit 27. März 2006 den ÖGB. Er will nächste Woche wieder kandidieren. Nach dem Closing des Bawag-Verkaufsvertrags will der Ex-Handballer zu rauchen aufhören. (Alexandra Föderl-Schmid und Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2007)