Wien - Jedes vierte Kind in Österreich wird per Kaiserschnitt geboren - vor zehn Jahren waren es lediglich elf Prozent. Am Wiener AKH kam im Jahr 2005 bereits fast jedes zweite Kind nicht auf dem natürlichen Weg zur Welt.

Auffällig für Sigrid Pilz, Gesundheitssprecherin der Wiener Grünen, ist die Tatsache, dass die Zahl der Kaiserschnitt-Entbindungen im AKH von 38,1 Prozent im Jahr 2004 auf 42,4 Prozent im Jahr 2005 stieg, während sie in anderen Geburtskliniken nahezu gleichblieb. Andere Spitäler mit vergleichbar vielen Schwergeburten würden weitaus niedrigere Kaiserschnittraten aufweisen.

Hebammen werden dadurch obsolet

Einen Grund dafür sieht Pilz darin, dass immer mehr Frauen durch Kaiserschnitt entbinden, obwohl es medizinisch nicht notwendig wäre. "Dadurch können die Ärzte am besten den Geburtsvorgang steuern. Hebammen werden dadurch obsolet."

Letzteres glaubt Brigitte Theierling vom Österreichischen Hebammengremium nicht: "Der Trend zum Kaiserschnitt löst auch eine Gegenbewegung aus." Einig ist sie sich mit Pilz, dass Ärzte am meisten von Kaiserschnitten profitieren und deshalb diese auch propagieren würden. Trotz höherer Kosten für unnötige Kaiserschnitte ließen sich statistisch keine Verbesserungen für Frauen und Kinder feststellen.

Patientenautonomie

Peter-Wolf Husslein, Vorstand der Uniklinik für Frauenheilkunde am AKH, verwehrt sich dagegen, für Kaiserschnitte zu werben. "Ich propagiere Patientenautonomie." Wenn eine Frau es wünsche, würde er einen Kaiserschnitt als nachweislich gleichwertige Alternative durchführen. "Es ist ein unaufhaltsamer Trend in Ländern, wo Frauen immer weniger Kinder bekommen."

Studien würden zeigen, dass der Kaiserschnitt auf Wunsch ein Mythos ist, behauptet hingegen Theierling. Vielmehr würden finanzielle Anreize und Bequemlichkeit von Ärzten sowie mangelnde ärztliche Ausbildung eine Rolle spielen. Dass Erfahrungen mit Vaginalgeburten, "unweigerlich verloren" gehen, räumt auch Husslein ein und spricht sich für die Zentralisierung von Geburtsabteilungen aus. (Karin Krichmayr, DER STANDARD Printausgabe 18.1.2006)