Jeweils montags, mittwochs und freitags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war schon vor etlichen Jahren. Und ich bin nicht sicher, ob ich diese Geschichte hier nicht schon einmal erzählt habe. Aber auch wenn: Die in diversen Postings geäußerte Idee, hundekotsammelresistenten Hundehaltern die Schweller zu – äh – bekleistern ist nicht neu. Und wurde bereits realisiert. Wenn auch nicht mit Eigenkot.

Denn da das Drama ums Kacka ja nicht wirklich neu ist, drückt sich die Stadtpolitik ja schon seit Jahren erfolgreich davor, sich des Problems – also der Ignoranten Hundebesitzer, die nach der Devise „freies Scheißen für freie Hunde“ leben – tatsächlich anzunehmen: Hunde-in-der-Stadt-Diskussionsveranstaltungen gab und gibt es fast so viele wie Hundehaufen in einer ruhigen Seitengasse, aber die zuständige Stadträtin (egal wie sie in den letzten Jahren gerade hieß) glänzte da fast ausnahmslos durch Nichterscheinen. Oder durch Vertreternominieren-und-dann-Nichterscheinen.

Enquete

Mit einer Ausnahme: Einer Hunde-Enquete, bei der die Tierdame der großen Tageszeitung kurzfristig die Tagesordnung um den Punkt „Hundehaufen“ kürzen ließ (was so natürlich nie belegbar ist und was ich also nie ernsthaft behauptet, sondern hier nur boshafter Weise unterstellt habe). Da wurde die Stadträtin natürlich auch (mit Hund) abgebildet.

Egal: Ebenso wie die Stadtpolitik nie kam, war der Rest des Publikums immer gleich. Ein Wanderzirkus. Man kannte sich. Und hasste einander nachhaltig. Arm waren da nur jene Bürgers, die im Glauben, an eine vielleicht doch fruchtbringende oder substanzielle Diskussion in ihr lokales Bezirksamt, Haus der Begegnung oder Beisl gekommen waren – und unversehens in eine „wenn du nicht für mich bist, bist du gegen mich“-Situation gedrängt waren: Wer den Kinderwagen nicht durch Scheiße schieben will, der hasst Hunde. Und umgekehrt. So einfach ist das.

Zum Abgewöhnen

Und so saßen denn die braven Bürgers, die da mit ihren Grätzelnachbarn über ein lokales Problem reden wollten, regelmäßig fassungslos da, wenn über und um sie die granit- bis diamantgehärteten Blöcke aufeinander losgingen, binnen Zehntelsekunden von Null auf Hundert waren und einander teils sogar namentlich beflegelten: Bürgerbeteiligung zum abgewöhnen – aber aus der journalistischen Vogelperspektive mitunter recht unterhaltsam.

Eines Tages – man saß im vierten Bezirk – ging die Tür zum Saal nach 25 Minuten wohleinstudiertem Gebrüll auf und eine ältere Dame der (der Einfachkeit halber einmal so genannten) Hundehassfraktion betrat den Raum. Die Debatte erlahmte – und die Dame entschuldigte sich für ihr Zuspätkommen. Zerknirscht und unterwürfig. So, wie ich das zuletzt zu Beginn der Oberstufen in der Schule gehört hatte.

Verfolger

Sie habe, rechtfertigte sie sich, einen Hund verfolgen müssen. Und das habe länger gedauert als sonst. Hundehasser und Hundefreunde nickten verstehend und setzten ihr Geschrei dort fort, wo es gerade aufgehört hatte. Die Anrainer und ich waren aber ratlos.

Nach der Veranstaltung schnappte ich mir die Dame: was sie denn mit „Hund verfolgen“ gemeint habe? Sie seufzte – und erklärte mir ihre Mission: „Wenn ich einen Hundebesitzer sehe, der das Hauferl wegputzt, gebe ich ihm eine Mozartkugel. Oft kommt das nicht vor. Aber wenn ich einen dabei ertappe, wie er das nicht tut, sammle ich für ihn die Kacke ein. Dann verfolge ich ihn bis nach Hause. Und dann leere ich das Sackerl auf seiner Schwelle aus.“

Spaziergang

An diesem Tag aber sei der Hund samt Besitzer noch etwa eine Stunde durch ihren Bezirk spaziert. Das habe sie halt nicht einkalkuliert. Erwischt, sagte die Frau, sei sie aber noch nie worden – einzig ihr Bezirksvorsteher habe sie einmal beim Einsammeln ertappt und zur Rede gestellt. Aber seinen Rat, mit diesem Tun aufzuhören, weil sie irgendwann an den falschen geraten könne, sei ganz bestimmt nicht wohlmeinend gewesen – der Mann wolle sie nur am Arbeiten hindern. Er sei schließlich auch Teil der Hundelobby.

(Nachtrag: Der fragliche Bezirksvorsteher ist längst nicht mehr im Amt. Er bestätigte auf Nachfrage damals aber, dass diese Frau in seinem Bezirk umgehe. Er mache sich Sorgen um sie. Das klang ehrlich.)