Seine Kabarettprogramme sind legendär, seine Lieder, darunter auch "Die Glock’n, die 24 Stunden läut‘", längst Evergreens und österreichisches Kulturgut.
Wien – Auf dem Weg von Haifa nach London, wo er ein Engagement als Musiker antreten sollte, machte Gerhard Bronner, weil seine Frau darauf bestand, bei den Schwiegereltern in Wien Station: "Von mir aus, aber ich garantier dir, länger als einen Monat bleib ich in dieser Scheißstadt nicht", warnte er sie. Das war 1948.
Und auch wenn er zwischenzeitlich dem geliebt-verhassten Wien den Rücken kehrte: Geblieben ist Bronner in seiner Heimatstadt, aus der er 1938 hatte flüchten müssen, schließlich doch bis zu seinem Tod. Am Freitag starb er im 85. Lebensjahr an den Folgen eines Schlaganfalls.
Dass Bronner, geboren am 23. Oktober 1922, Kabarettist, Librettist, Komponist, Autor, Arrangeur, Moderator, Conférencier, Fernsehpionier, Übersetzer und manch Weiteres werden würde, das war ihm, dem Sohn eines Tapezierers und einer Näherin aus Favoriten, nicht gerade in die Wiege gelegt. Hin und wieder dachte Bronner, der die Schule geschmissen und eine Lehre begonnen hatte, mit Schaudern zurück: "Wäre der Hitler nicht einmarschiert, wäre ich vielleicht Schaufensterdekorateur geworden." Doch dieses Gedankenspiel zielte nur auf die bittere Pointe ab. Denn Bronner spielte Klavier und Gitarre von Kindheitstagen an.
Aber er hätte nicht seinen Bruder Oskar, der im KZ Dachau ermordet wurde, sowie Vater und Mutter, 1943 nach Minsk deportiert, verloren. Dass er der einzige Überlebende seiner Familie war, verdankte er, wie er es ausdrückte, "einem Gesetzesbruch". Er floh ohne Pass nach Brünn, wo er sich als Straßensänger durchschlug, später die Donau abwärts bis Rumänien und im Laderaum eines Frachters mit 4500 anderen nach Palästina.
Radio und Kabarett
In Netanya arbeitete Bronner als Deichgräber und Orangenpflücker, später als Musiker und Dirigent eines Orchesters im Dienste der Britischen Armee. Nach dem Krieg ging er mit seiner Frau, einer gebürtigen Wienerin, nach Haifa, wo 1943 sein Sohn, Standard-Herausgeber Oscar Bronner, geboren wurde, und stellte unter anderem Programme für einen englischen Soldatensender zusammen.
1948 war er eben zurück in Wien. Und Hans Weigel überredete ihn zu bleiben: Bronner wirkte in einem Kabarettprogramm mit, das der gefürchtete Kritiker fürs Simpl geschrieben hatte. Und weil er also Erfahrung hatte, wurde Bronner 1950 von Helmut Qualtinger angesprochen – in der Rustenschacher Sauna.
Wenig später kam es zur ersten Zusammenarbeit: Michael Kehlmann brachte mit Carl Merz und Qualtinger die Schnitzler-Paraphrase Reigen 51 heraus, Bronner steuerte die Musik bei. Etwa zur gleichen Zeit pachtete er die Marietta Bar: Bronner engagierte sogleich Peter Alexander, auch Ernst Waldbrunn trat bei ihm auf, Luise Martini und Ernst Stankovski. Das Geschäft lief gut, 1952 entstand das legendäre Programm Brettl vor’m Kopf mit Der g’schupfte Ferdl. Dennoch ging Bronner mit Kehlmann für zwei Jahre nach Hamburg, um Livefernsehen zu machen. "Wir konnten experimentieren, und das war das Wichtigste. Denn die Zuschauer haben eine Sendung nie nach dem Inhalt beurteilt, sondern nur nach der Qualität des Empfangs."
Kein Blattl vorm Mund
1955 kaufte er die Marietta, im Jahr darauf pachtete er mit Georg Kreisler das Intime Theater, wo das namenlose Ensemble (Merz, Qualtinger, Kreisler, Bronner und Peter Wehle) Kabarettprogramme wie Blattl vor’m Mund, Brettl vor’m Klavier und Glasl vorm Aug’ herausbrachte: Es traf mit spitzen Analysen den Nerv der Wiederaufbaujahre. Für den ORF gestaltete das Erfolgsteam in der Folge die Sendung Spiegel vorm G’sicht. Und 1959 übernahm Bronner des Neue Theater am Kärntnertor: Dort hatten Dachl über’m Kopf und Hackl vor’m Kreuz Premiere.
In jener Zeit entstanden der nur scheinbar heitere Nepotismus-Song Der Papa wird’s schon richten (1958, Unterrichtsminister Felix Hurdes, der einen Autounfall seines Sohnes vertuschen wollte, trat daraufhin zurück) und all die noch heute populären Gassenhauer wie Der Marlon Brando mit seiner Maschin’, Der Bundesbahnblues, Weil mir so fad is’, Der Jedermann-Kollapso, die zwar von Bronner geschrieben wurden, aber, was ihn schmerzte, immer wieder Helmut Qualtinger zugeschrieben werden.
Zudem gab es in der Gruppe ziemliche Spannungen, so Bronner 2002 im Interview: "Ich bin als Sozialdemokrat aufgewachsen. Der Merz war ein Kohlrabenschwarzer. Der Kreisler eigentlich ein Kommunist. Der Wehle war ein katholischer Monarchist. Und der Qualtinger ein Nihilist. Eine politische Nummer zu schreiben, war also nicht ganz einfach." 1961 zerfiel das Team, Qualtinger spielte den Herrn Karl, heimste jede Menge Ruhm ein. Es entstand so etwas wie Rivalität, ja sogar Feindschaft.
Bronner baute ein neues Ensemble auf, eröffnete 1967 die Marietta erneut – als Fledermaus. 1970 verhalf er Marianne Mendt zum Durchbruch: Seine Glock’n, die 24 Stunden läut’ bereitete dem Austropop das Feld auf. Doch Bronner, der gegen die Beatles wetterte, hatte noch andere Intentionen: Auf Ö3 präsentierte er Schlager für Fortgeschrittene.
Mit Peter Wehle arbeitete er bis zu dessen Tod 1986 zusammen: Sonntag für Sonntag servierten sie auf Ö1 zum Frühstück einen recht gepfefferten Guglhupf, in den Doppelconférencen war Wehle, obwohl doppelter Doktor, der depperte Schusslige, Bronner hingegen, der Autodidakt, der arrogante Gescheite.
Stolz auf "Fledermaus"
Seine harte Kritik an Kurt Waldheim, 1986 zum Bundespräsidenten gewählt, wurde mit antisemitischen Äußerungen quittiert: 1988 übersiedelte Bronner, der sich weigerte, eine seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte Steuerstrafe in der Höhe von einer Million Schilling zu zahlen, nach Florida. Er schrieb ein Buch und Lieder für behinderte Kinder, er komponierte eine Messe für eine Synagoge.
Nach Wien kehrte er 1993 ein letztes Mal zurück: Auf Initiative seines Freundes Robert Jungbluth hatten staatliche oder staatsnahe Unternehmen die Strafe bezahlt. Was Bronner, der die Zigarette bis zuletzt mit Spitz rauchte, nach seiner Rückkehr verblüffte: dass weiterhin Interesse an "meinen Sachen" bestand.
Was ihm wehtat: Dass er hierzulande immer "nur" als Kabarettist galt. Obwohl er für das Theater an der Wien Musicals ins Deutsche übertrug (Cabaret, My Fair Lady), Texte von Jacques Offenbach bearbeitete, Ephraim Kishon übersetzte, Filmmusiken und Drehbücher schrieb. Als seinen größten Erfolg bezeichnete er eine Fassung der Fledermaus für die Covent Garden Opera in London, die per TV "in die ganze Welt übertragen und mit hymnischen Kritiken bedacht wurde".
Zuletzt schrieb Gerhard Bronner, für den die Broadway Bar ein zweites Zuhause wurde, ein Musical, basierend auf dem Hotel Savoy von Joseph Roth. "Ich habe so viele Träume geträumt in meinem Leben, aus denen nichts geworden ist. Es würde mich nicht wundern, wenn auch aus diesem nichts würde." Er sollte Recht behalten. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.1.2007)