Brüssel - Die EU-Kommission will die Haftung von Wirtschaftsprüfern begrenzen, damit diese nicht an hohen Schadenersatzforderungen von Aktionären zusammenbrechen. Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy brachte am Donnerstag in Brüssel eine EU-weite Anhörung zu diesem Thema auf den Weg.

Weil es immer mehr Klagen gegen Prüfer gebe, bestehe "die reale Gefahr, dass eines der vier großen Unternehmen der Branche mit Ansprüchen konfrontiert wird, die seine Existenz bedrohen", sagte McCreevy. Die Pläne dürften in einigen EU-Regierungen auf Widerstand stoßen, weil damit letztlich die Rechte von Aktionären beschnitten würden.

Haftungsbeschränkung

Sollte ohne eine Haftungsbeschränkung eine der nur noch vier großen weltweiten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an Schadenersatzklagen zu Grunde gehen, könnte dies nach Befürchtungen der Kommission den Wettbewerb weiter einschränken. In Deutschland und einigen weiteren Ländern gibt es bereits Haftungsobergrenzen.

Derzeit teilen sich Ernst & Young, PricewaterhouseCoopers, Deloitte und KPMG fast alleine weltweit die Buchprüfung der börsennotierten Unternehmen auf. Die frühere fünfte große Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen hatte den Skandal um den US-Energiehändler Enron nicht überlebt.

Zusammenbrechen droht

Nach einer Studie im Auftrag der EU-Kommission droht ohne eine Haftungsobergrenze der Zusammenbruch einer weiteren Prüferfirma. Demnach laufen derzeit 16 Verfahren mit Schadenersatzforderungen von jeweils 200 Mio. Dollar (155 Mio. Euro) oder mehr, in fünf Fällen geht es sogar um Forderungen von mindestens einer Milliarde Dollar. "Wenn auch einer einer davon schief geht, dann würde das den Prüfer mit Sicherheit zusammenbrechen lassen", hatte der Vorsitzende der Interessenvertretung der vier Prüfer, Jeremy Jennings, gewarnt.

In Deutschland gilt eine Haftungsobergrenze von vier Mio. Euro je Prüfung. Dass dies zum Musterfall für alle 27 EU-Staaten wird, galt allerdings als unwahrscheinlich.

Die Kommission nannte vier Varianten, um die Haftung zu begrenzen: Erstens könne wie in Deutschland eine feste Obergrenze eingeführt sein. Dies werde aber schwierig. Zweitens könne eine flexible Obergrenze eingeführt werden, die sich nach der Marktkapitalisierung des Unternehmens richtet. Drittens könnte die Honorarforderung der Wirtschaftsprüfer die Berechnungsgrundlage bilden. Viertens hält die Kommission eine Aufteilung der Haftung zwischen Prüfer und geprüftem Unternehmen für denkbar. Bis Mitte März will McCreevy jetzt Stellungnahmen dazu sammeln, bevor die Kommission sich eine eigene Meinung bildet. (APA)