STANDARD: Gefallen Sie sich in der Rolle der ÖVP-Provokateurin?
Kdolsky: Ich gefalle mir in der Rolle der Geradlinigen. Ich gefalle mir in der Rolle der Fachexpertin, in der Rolle der Frau mit Herz und Hirn. Ich bin aber auch bereit, meine Vorstellungen klar und eindringlich zu sagen. Ich bin ein ehrlicher Mensch. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.
STANDARD: Sie sind sich aber bewusst, dass Sie polarisieren?
Kdolsky: Ja, ich weiß, dass ich polarisiere und auch provoziere. Ich hätte innerhalb der ersten zwei Tage zurücksteigen können und mir sagen können, o.k., bequemer ist es, ab sofort einfach alles zu negieren und zu sagen, es tut mir alles furchtbar leid. Aber das bin nicht ich. Ich ziehe meine Linie durch.
STANDARD: Ist es politisch geschickt, gleich zu Beginn mit Aussagen über "Kinder, die sich unmöglich benehmen" oder die "politische Verklärung der Mutterschaft" aufzufahren?
Kdolsky: Die Parts, die aus dem Buch herausgenommen worden sind und die jetzt massiv gegen mich verwendet werden, sind aus dem Gesamtzusammenhang gerissen. Ich distanziere mich nicht von den Aussagen, aber es wäre mir wesentlich, sie im Ganzen zu sehen. Weil: Ich habe nie und zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass Familien mit Kindern finanziell in irgendeiner Weise nicht honoriert werden sollen. Im Gegenteil: Es muss dort ganz massiv Förderung geben.
STANDARD: Parteikollegen haben wahrscheinlich auch nur die Zeitungsberichte gelesen. Hatten Sie hier Erklärungsbedarf?
Kdolsky: Aus der Steiermark gab es Kritik. Aber sonst habe ich in der Sekunde eine breite Phalanx an Unterstützung bekommen. Und ich merke an den Rückmeldungen, dass ich den Leuten eigentlich aus der Seele spreche. Denn ich kenne niemanden, der sich in einem Lokal wahnsinnig freut, wenn ihn dort in irgendeiner Weise Kinder stören. Und das ist jetzt keine Bösartigkeit. Ich liebe Kinder, wirklich.
STANDARD: Wie hat Wilhelm Molterer reagiert?
Kdolsky: Der steht völlig hinter mir.
"Es gibt andere Lebensmodelle"
STANDARD: Frischer Wind im alten ÖVP-Kurs?
Kdolsky: Ich möchte mich in die Mitte positionieren. Wir müssen im 21. Jahrhundert akzeptieren, dass es nicht nur die klassische Vater-Mutter-Kind-Struktur gibt, sondern auch andere Lebensmodelle. Und dem müssen wir Rechnung tragen. Vielleicht trägt die aktuelle Diskussion zur Erfrischung bei.
STANDARD: Vor den Kinderturbulenzen haben Sie mit ihrem Bekenntnis zur Gelegenheits-zigarette für Aufregung gesorgt.
Kdolsky: Auch hier bin ich, vielleicht weil ich so ehrlich bin, missverstanden worden. Es geht mir in keiner Weise darum, dass ich mich auch nur einen Millimeter vom Regierungsübereinkommen wegbewege. Ich bin nur ein Mensch mit Handschlagqualität. Es gibt eine Abmachung, in der sich die Gastronomie verpflichtet hat, bis Ende 2006 für den Nichtraucherschutz mit getrennten Räumlichkeiten entsprechend Sorge zu tragen. Ob das funktioniert hat, wird gerade evaluiert. Diese sechs bis acht Wochen will ich abwarten.
STANDARD: Warum haben Sie ein Problem mit Verboten?
Kdolsky: Mit Verboten erreicht man kein Umdenken. Sie schaffen Angst, sie können eingehalten werden oder nicht. Verbote bergen auch immer das Problem der Kontrolle. Nehmen Sie etwa das AKH: Was machen Sie mit einem Patienten, der nicht entlassbar ist, der auf die Notstiege geht und raucht? Rausschmeißen kann ich ihn ja wohl nicht, weil er ja krank ist und medizinische Versorgung braucht. Eine Geldstrafe ist spannend, vor allem wenn das jemand ist, der von der MA12 einen Notkrankenschein hat. Was bringt mir also ein Verbot? Das ist nicht mein erster Weg.
STANDARD: Was, wenn die Evaluierung zeigt, es geht nicht mit Freiwilligkeit?
Kdolsky: Es müssen die Räume getrennt werden, das ist gar keine Frage. Wenn das nicht freiwillig geschieht, werden wir es gesetzlich umsetzen. Mit Sanktionen. Es wird keine andere Möglichkeit als Strafzahlungen geben.
STANDARD:Wenn das Rauchverbot umgesetzt ist, wird es Ihnen persönlich schwer fallen?
Kdolsky: Nein. Ich habe seit mehr als einer Woche keine Zigarette geraucht. Ich habe nie in meinem Leben im Auto geraucht, ich habe nie allein zu Hause, im Spital oder im Büro geraucht. Ich habe gerne ab und zu nach einem guten Essen mit Freunden eine Zigarette geraucht.
"Ich liebe Sushi"
STANDARD: Mit gutem Essen meinen Sie Schweinsbraten?
Kdolsky: Ich esse einmal in neun Wochen einen Schweinsbraten, wenn ihn meine Mutter macht. Ich liebe Sushi. Aber ich will den Schweinsbraten nicht in Verruf bringen.
STANDARD: Welche Leichen haben Sie noch im Keller?
Kdolsky: Ich habe eine Nacht mit Nachdenken darüber verbracht. Noch einmal: Ich bin in zweiter Ehe verheiratet. Das ist vielleicht für den ein oder anderen auch störend.
STANDARD: Was halten Sie von einem völligen Wegfall der Zuverdienstgrenze beim Kindergeld?
Kdolsky: Wir müssen uns das anschauen. Wir haben jetzt schon enorm erhöht, das war ein sichtbares Signal. Das müssen wir jetzt finanzieren. Dann müssen wir in einem nächsten Schritt schauen, was könnte eine völlige Öffnung bringen? Grundsätzlich gibt es meinerseits Gesprächsbereitschaft für alles.
STANDARD: Soll es nur die beiden Varianten geben, 36 oder 18 Monate beim Kind zu bleiben? Oder bekomme ich, wenn ich etwa kürzer als 18 Monate zu Hause bleibe, mehr Geld?
Kdolsky: Eines der Diskussionsthemen muss natürlich auch jenes sein, wie weit man flexibel ist innerhalb der jetzt definierten Zeit. Wir müssen uns das durchrechnen.