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Julia Timoschenko wechselt die Fronten.

REUTERS/Ammar Awad
Moskau/Kiew - Zeitlebens kämpft Julia Timoschenko um die passende Haartracht. Den Flechtkranz legte sie sich während der orangen Revolution zu. Dass sie nun vorige Woche ihr Haar wieder heruntergelassen hat, markiert offenbar den Beginn einer neuen Phase. Die Oppositionsführerin fiel ihrem orangen Weggefährten, Präsident Viktor Juschtschenko, in den Rücken und zeigt keine Berührungsängste mehr gegenüber dem Ex-Gegner Premier Viktor Janukowitsch.

Vergangene Woche wurde über das Regierungsgesetz abgestimmt, das Juschtschenkos Amt zugunsten der Regierung weit gehend auf ein repräsentatives abwertet. Bereits vor einem Jahr trat die neue Verfassung in Kraft, die das Präsidentenamt zugunsten des Premiers abwertete. Wegen ungenauer Formulierungen lagen sich die Koalitionsparteien und die Präsidentenadministration aber in den Haaren.

Klarheit sollte nun das Regierungsgesetz schaffen, das die jetzige Koalition jedoch ganz in ihrem Sinne formulierte. Juschtschenkos Veto und dutzende Verbesserungsvorschläge halfen nichts - denn Timoschenko wechselte die Seiten und stimmte für den Vorschlag. Damit verliert der Präsident die wichtigsten Vollmachten. Die Koalition darf nun auch jene Minister entlassen, die bisher vom Präsidenten bestimmt wurden. Der darf den Außen- und Verteidigungsminister nur noch auf Grundlage der Empfehlungen des Parlaments vorschlagen. Zusätzlich werden Präsidentenerlässe in Zukunft von der Regierung begutachtet.

Er werde das Gesetz nicht unterschreiben, wiederholte Juschtschenko diese Woche und appellierte an das Verfassungsgericht. Timoschenko wurde für ihren Seitenwechsel belohnt und das Gesetz über die Opposition verabschiedet: Nun können Oppositionsvertreter an Regierungssitzungen teilnehmen, den Rechnungshofpräsidenten stellen und kontrollieren zwölf Parlamentsausschüsse.

Timoschenko und Janukowitsch haben die ganze Macht im Land aufgeteilt, meint der Politologe Viktor Neboschenko. Timoschenkos Koketterie mit Janukowitsch dürfte sich künftig wiederholen. Beide Seiten wollen den Präsidenten "aus dem Boot drängen", sagt Vladimir Malinkowitsch vom Institut für politische Forschung in Kiew. (Eduard Steiner/DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2006)