Wien - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer hat Freitag in einer Pressekonferenz ein Sieben-Punkte-Programm für die Geschäftsordnungsreform vorgelegt. Es enthält u.a. die Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse mit einer Minderheit von 20 Abgeordneten einzusetzen. Prammer geht davon aus, dass die Diskussion bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein kann, analog zur Staatsreform. In der geplanten neuen Vertretungsregelung sieht sie "nicht automatisch" eine Missachtung des Parlaments.

Wenn sich künftig Kanzler und Vizekanzler nicht nur durch die eigenen Staatssekretäre, sondern auch die dem anderen beigegeben vertreten lassen können, könnte das dazu führen, dass ein Staatssekretär die Vertretung übernimmt, der sich auch mit der betreffenden Materie beschäftigt hat, kann Prammer dem SPÖ-ÖVP-Plan Positives abgewinnen. Sie erinnerte daran, dass in der vergangenen Periode mehrfach der Kunst-Staatssekretär den Kanzler z.B. in Europa-Fragen vertreten hat.

Vertretung so "selten wie möglich"

Grundsätzlich geht Prammer davon aus, dass sich Regierungsmitglieder "so selten wie möglich von jemand anderem vertreten lassen". Sollte das nicht der Fall sein, "bin ich die Erste, die die Stimme erhebt".

Für die Geschäftsordnungsreform - für die wohl ein Geschäftsordnungskomitee eingesetzt werde - wünscht sich Prammer einen breiten Konsens. Der Ausbau der Kontrollrechte ist ihr besonders wichtig - weil der Nationalrat nicht nur Gesetze beschließen, sondern auch kontrollieren soll, ob sie eingehalten werden. So bleibt Prammer bei ihrer Forderung nach einem Minderheitsrecht bei den U-Ausschüssen. 20 Abgeordnete - bei einer Unterschrifts-Möglichkeit pro Legislaturperiode - wäre für sie ein "akzeptabler Zugang", außerdem sollten nur zwei U-Ausschüsse gleichzeitig tagen.

Ebenfalls ein Minderheitsrecht will Prammer bei schriftlichen Anfragen schaffen - und zwar jenes, dass nicht mehr nur die Mehrheit feststellen kann, dass eine Anfrage nicht ausreichend beantwortet und eine ergänzende Antwort geboten ist. Prammer hielte die Einbindung des Rechts- und Legislativdienstes des Parlaments zur Prüfung, ob eine Antwort ausreicht, für sinnvoll - und hätte gerne als Präsidentin die Möglichkeit, die Vollständigkeit von Anfragen-Beantwortungen einzufordern.

Die Rechte der Bürger will sie dadurch stärken, dass Volksbegehren, Petitionen und Bürgerinitiativen nicht zu Ende der Legislaturperiode verfallen und Bürgerinitiativen auch elektronisch eingebracht werden können. Unter Hinweis auf die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre plädierte Prammer dafür, Jugendliche ab 16 - nicht erst ab 19 - Bürgerinitiativen unterschreiben zu lassen.

Berichte von Volksanwaltschaft und Rechnungshof

Auch die Berichte von Volksanwaltschaft und Rechnungshof sollten nicht mit dem Ende der Legislaturperiode verfallen, meinte Prammer. Außerdem soll auch die Volksanwaltschaft jederzeit Einzelberichte vorlegen können und nicht nur einen Tätigkeitsbericht pro Jahr.

Mehr Einblick in die viele Arbeit abseits des Plenums will Prammer damit geben, dass Ausschuss-Sitzungen öffentlich werden. Außerdem will sie "lebendigere" Fragestunden, mittels Verzicht auf die schriftliche Übermittlung der Fragen im Vorhinein und der Möglichkeit für die Abgeordneten, die Fragen kurzen zu begründen.

Was das - oft nicht besonders positive - Bild des Parlaments betrifft, das z.B. bei Fernseh-Übertragungen vermittelt wird, verwies Prammer darauf, dass jeder Abgeordnete selbst zu verantworten hat, welches Bild er vermittelt. Da dies immer wieder Thema am "Tag der offenen Tür" ist, will Prammer die Abgeordneten heuer am 26. Oktober "intensiv einbinden", damit sie diese Fragen "auch selbst beantworten".

Die Nationalratspräsidentin berichtete überdies von einem "großen Projekt", das Ende des Jahres umgesetzt werden soll: Im Palais Epstein soll ein Demokratiezentrum bzw. eine Demokratiewerkstatt eingerichtet werden. Dort soll den Besuchern "lebendig und praxisnah" die Parlamentsarbeit vermittelt werden. (APA)