Auf offener Straße erschossen
Der 53-jährige Dink war am Freitag in Istanbul auf offener Straße erschossen worden. Der bekannteste Vertreter der armenischen Minderheit in der Türkei setzte sich als Herausgeber der zweisprachigen Wochenzeitung "Agos" für die Rechte der armenischen Minderheit ein. Aus Protest gegen den Mord gingen am Freitagabend tausende Menschen in der Türkei auf die Straße. In Istanbul versammelten sich rund 5000 Menschen zu einer spontanen Kundgebung auf dem Hauptplatz der Metropole. In der Hauptstadt Ankara folgten rund 700 Menschen einem Aufruf von Menschenrechtgruppen und Gewerkschaften. Am Abend meldeten die Behörden die Festnahme von drei Verdächtigen.
Unterdrückung der Meinungsfreiheit
Der Direktor des Amnesty-International-Programmes für Europa und Zentralasien, Nicola Duckworth, stellte einen Zusammenhang zwischen dem Mord und der türkischen Gesetzgebung her: "In der Türkei gibt es immer noch eine Reihe von strengen Gesetzen, die die Unterdrückung der Meinungsfreiheit fördern." Diese Gesetze und Erklärungen von Regierungsmitarbeitern, Staatsbeamten und Armeeangehörigen, die eine kritische Debatte und abweichende Meinungen verurteilten, "schaffen eine Atmosphäre, in der gewalttätige Angriffe stattfinden können", erklärte Duckworth.
Dink habe noch am 10. Jänner Drohbriefe erhalten, die er der Staatsanwaltschaft vorgelegt habe, sagte der Chef des Essener Zentrums für Türkeistudien, Sen, dem "Focus". "Aber die hat nichts unternommen". Es sei eine Schande, "dass die türkische Polizei ihn nicht geschützt hat." Der Wissenschaftler, der mit Dink seit Jahren befreundet war, übte auch Kritik an den türkischen Gerichten. "Die Justiz hat ihn nie in Ruhe gelassen, ein Prozess folgte auf den anderen." In einer Presseerklärung forderte Sen, dass die Türkei "endlich auch für kritische Bürger ein sicherer Ort sein muss."
"Unerträgliche Hetzte
Das Leben derjenigen, die sich in der Türkei "für Demokratie und Menschenrechte einsetzen", sei "weniger sicher als das von Ultranationalisten und Rechtsradikalen", sagte Özdemir im Interview mit "Spiegel Online". Der Europaparlamentarier beklagte eine "unerträgliche Hetze" gegen "Intellektuelle, die den Nationalismus kritisieren". Es gebe in Teilen der türkischen Justiz, Verwaltung und Polizei einen "Staat im Staat", der sich gegen die Liberalisierung des Landes stemme. "Diese Kräfte sehen bei einer weiteren Demokratisierung ihre Position und ihre Pfründe bedroht und sind zu allem bereit."