Rio de Janeiro - Mercosur hat bei seinen Integrationsbemühungen einen herben Rückschlag erlitten. Das 32. Gipfeltreffen des südamerikanischen Handelsverbandes ging am Freitagabend (Ortszeit) im brasilianischen Rio de Janeiro nach zweitägigen Debatten mit viel gegenseitiger Kritik und ohne konkrete Ergebnisse in den wichtigsten Punkten zu Ende. Vor allem die Kontroversen um die Ungleichgewichte zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedsländer des gemeinsamen Marktes des Südens überschatteten das Treffen.

Der Präsident Uruguays, Tabaré Vásquez, forderte mehr Flexibilität von den größeren Mitgliedsländern und warnte, der Mercosur sei zum Tode verurteilt, wenn er es nicht bald gerechtere Handelsbedingungen gebe. Uruguay hatte zusammen mit Paraguay die Ungleichgewichte zwischen ihren kleinen Volkswirtschaften und denen der anderen drei Vollmitglieder, Brasilien, Argentinien und Venezuela beklagt. Sie forderten deshalb erneut erfolglos unter anderem mehr Spielraum zur Unterzeichnung bilateraler Freihandelsabkommen mit Ländern anderer Weltregionen.

In der Schlusserklärung bezeichneten die Teilnehmer die Reduzierung der Handelsasymmetrien immerhin als "zentrales Ziel" der künftigen Arbeit. Der Marktzugang für die Exportprodukte der kleineren Länder müsse erleichtert werden, heißt es. Die Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien), Nestor Kirchner (Argentinien) und Hugo Chávez sprachen sich für mehr Integration aus. Eine Reihe von Vergünstigungen wurden erwogen, den kleineren Ländern allerdings am Ende mehrheitlich nicht eingeräumt.

Als "Tropfen auf dem heißen Stein" bezeichneten Beobachter in Zusammenhang mit diesem Streit eine Entscheidung der Außen- und Wirtschaftsminister vom Donnerstag, einen Hilfsfonds in Höhe von 70 Millionen US-Dollar (etwa 54 Mio Euro) für die leistungsschwächeren Mitglieder zu gründen.

Lula kritisierte in Rio die egoistische Haltung einiger Mercosur-Mitglieder. Trotz aller Probleme will sich der Mercosur in Zukunft nicht nur auf Wirtschafts- und Handelsfragen konzentrieren, sondern auch gesellschaftspolitisch wirken. Dazu wurde in Rio eine soziale Integration angekündigt. Brasilien und Argentinien als mächtigste Mitglieder müssten sich von nationalen Interessen loslösen und großzügig im Verhältnis zu den kleineren Ländern sein, forderte Lula. Der frühere Gewerkschaftsführer sagte, die Integration müsse nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell und politisch sein.

Neben den Staatspräsidenten der Vollmitglieder nahmen am Gipfeltreffen auch Staats- und Regierungschefs der assoziierten Mitglieder Bolivien, Chile, Ecuador, Peru und Kolumbien sowie als Gäste die Regierungschefs von Surinam und Guyana teil.(APA/dpa)