München/Berlin - Nach der beispiellosen Krise um Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber eskaliert in der CSU nun der Machtkampf um die Nachfolge des scheidenden Parteichefs. CSU-Vize Horst Seehofer weigert sich beharrlich, seine Kandidatur für das Spitzenamt zurückzuziehen. Zudem warf der Bundesagrarminister seinem Konkurrenten Erwin Huber und dem designierten Ministerpräsidenten Günther Beckstein am Wochenende unfaire Methoden vor.

Beckstein übte erstmals Kritik an Stoiber: Der Regierungschef sei auch an eigenen Fehlern gescheitert, sagte der bisher zu Stoiber loyale Beckstein. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ließ Zweifel erkennen, dass Stoiber tatsächlich wie angekündigt noch bis zum Herbst in seinen Ämtern bleibt.

CSU-Spitzenleute fordern Einlenken

Mehrere CSU-Spitzenleute, darunter Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann, forderten Seehofer zum Einlenken auf. Mit seinem Verzicht auf das Partei-Spitzenamt würde der Minister den Weg frei machen für das von vielen in der Partei favorisierte Tandem Beckstein/Huber. Am Sonntagnachmittag (ab 17.00 Uhr) wollte sich Seehofer in München mit Stoiber treffen, um seine Chancen auszuloten. Am Montag tagt in der bayerischen Landeshauptstadt der CSU-Parteivorstand.

Seehofer beharrte auf seinem Anspruch auf den CSU-Vorsitz. Dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sagte er, es sei schon "ein eigenartiger Vorgang, wenn Günther Beckstein mich dazu drängt, meine Kandidatur aufzugeben, ohne dass er zuvor mit mir gesprochen hat". Dies sei "kein guter Stil". Solche Personalentscheidungen könne man nicht im Hinterzimmer "auskungeln".

Versöhnlichere Töne

Der Parteivize schlug aber auch versöhnlichere Töne an: "Wenn verschiedene Führungsleute unserer Partei der Meinung sind, es soll eine einvernehmliche Lösung geben, sollte man darüber reden", sagte Seehofer am Samstag in Berlin. Er hätte aus eigener Sicht als CSU- Parteichef keine Probleme, mit Beckstein als designiertem Stoiber- Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten zu kooperieren, sagte er der "Bild am Sonntag". "Er ist ein kluger und gelassener Mann."

Beckstein betonte im dpa-Gespräch, die Initiative für das Tandem mit Huber sei von Stoiber ausgegangen: "Das Gespräch mit Huber ist auf Veranlassung Stoibers zu Stande gekommen." Huber und Beckstein hatten am Mittwoch in Kreuth eine Verständigung über die Personalfragen nach der Ära Stoiber erzielt.

Opfer einer Entwicklung

Nach Ansicht Becksteins ist Stoiber "Opfer einer Entwicklung geworden, die durch den einen oder anderen Fehler von ihm befördert worden ist". Er sagte der "Welt am Sonntag", mehrere Entscheidungen Stoibers seien "von erheblichen Teilen der Bevölkerung, aber auch der CSU-Mitglieder als falsch und unverständlich empfunden worden". So nannte es Beckstein gravierend, dass Stoiber nach der Bundestagswahl 2005 nicht wie geplant als Minister nach Berlin ging. Zur Fehlerbilanz zählte der designierte Ministerpräsident auch "eine etwas rüde Verwaltungsreform" nach dem Wahlsieg 2003. Beckstein gab zu, dass er keinen Generationswechsel in der CSU signalisiere, und nannte sich selbst einen Übergangsministerpräsidenten.

Huber bot Seehofer laut "Welt" (Samstag) an, ihn zum Ersten Stellvertreter des Vorsitzenden aufzuwerten. Er würde als CSU-Chef vorerst nicht ins Bundeskabinett wechseln. Das bundespolitische Gewicht der CSU hänge "sehr stark von den Erfolgen in Bayern ab. Wir brauchen deshalb ein gutes Ergebnis bei der Kommunalwahl im März 2008 und eine klare absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im Herbst 2008", sagte er der "Bild am Sonntag".

Früherer Wechsel möglich

Bundeswirtschaftsminister Glos schloss unterdessen nicht aus, dass die Wechsel in München früher als im Herbst über die Bühne gehen. Die Überlegungen Stoibers seien "sicher noch nicht zu Ende", sagte Glos am Sonntag im Deutschlandfunk.

Die Fürther CSU-Landrätin Gabriele Pauli - sie hatte die Krise und den Stoiber-Rückzug mit ausgelöst - erwägt laut Magazin" Focus", im Herbst beim Sonderparteitag für einen der vier Stellvertreter-Posten in der Parteiführung zu kandidieren.

Grüne und FDP in Bayern lehnten ein Volksbegehren ab, um eine Neuwahl in Bayern zu erzwingen. Beide Parteien plädierten zwar erneut für eine vorgezogene Wahl - dem von der SPD ins Spiel gebrachten Volksbegehren wollen sie sich aber nicht anschließen. Grund ist unter anderem, dass eine Neuwahl nach einem Volksentscheid ohnehin nur wenige Monate vor dem regulären Termin im Herbst 2008 möglich wäre. (APA)