Wien - Den überwiegend Kreml-kritischen Politikern, Ökonomen und Politikwissenschaftern im Wiener Hotel Imperial hätte es nicht gefallen. Noch bevor die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag Wladimir Putin traf, schraubte ihr Außenminister Erwartungen an eine deutlichere Sprache gegenüber dem russischen Präsidenten zurück.

"Russland ist sicher keine lupenreine Westminsterdemokratie", meinte Frank-Walter Steinmeier in einem vorab veröffentlichten Interview mit der deutschen Wirtschaftswoche. Das war zwar immerhin eine klare Distanzierung zu seinem früheren Vorgesetzten Gerhard Schröder ("Putin ist ein lupenreiner Demokrat"). Trotz "aller berechtigter Kritik" an Russland, so riet jedoch Steinmeier, müssten die Proportionen stimmen.

Demokratisierung auf dem Rückzug

Eine Konferenz des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) kam am vergangenen Wochenende in Wien eher zu gegenteiligen Schlussfolgerungen. Die Demokratisierung in Russland und den Ex-Sowjetrepubliken sei klar auf dem Rückzug, meinte Lilia Schewtsowa vom Carnegie Center in Moskau - und die Antwort des Westens und insbesondere der EU auf diese Entwicklung nicht eben "inspirierend".

Die Abhängigkeit vom Gas aus Russland und Zentralasien mache die Europäische Union duldsam gegenüber politischen Fehlentwicklungen und konsolidiere die Korruption der Regime, lautete ein Befund der rund 30 Diskutanten. Eine gemeinsame politische Strategie zur Förderung der Demokratie im Osten fehle. "Wir wissen sehr wenig voneinander", meinte die frühere kirgisische Außenministerin Rosa Otunbajewa. Die EU-Diplomaten für Zentralasien würden kommen und gehen, ohne Spuren zu hinterlassen.

Neue Nachbarschaftspolitik

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hatte dabei die IWM-Konferenz mit einer Darstellung der neu gefassten Europäischen Nachbarschaftspolitik eröffnet, jener "Strategie" der Union also, die nun verstärkt auf die Ukraine und Moldau, die Staaten des Südkaukasus und Zentralasiens abzielt. Zwölf Mrd. Euro stellt die EU von 2007 bis 2013 bereit für Investitionen in die Infrastruktur, für Verwaltungsreformen oder Studentenaustausch. Einen Reformschub, wie er in Osteuropa durch den Anreiz des EU-Beitritts entstand, erwarteten sich die Diskutanten aber nicht. (mab, DER STANDARD, Printausgabe 22.1.2007)