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Richter vor Prozessbeginn auf dem Weg in den Gerichtssaal.

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Der Prozess gegen den 57-jährigen Schweinezüchter Robert Pickton begann am Montag, er ist wegen der Ermordung von 26 Frauen angeklagt.

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Marilyn Kraft weiß noch nicht, ob sie den Mut aufbringen wird, nach Vancouver an Kanadas Westküste zu reisen und dem angeklagten Serienmörder Robert "Willy" Pickton ins Gesicht zu sehen. Der Prozess gegen den 57-jährigen Schweinezüchter begann am Montag, er dürfte etwa ein Jahr dauern und damit der längste Prozess in Kanadas Geschichte werden.

Pickton ist wegen der Ermordung von 26 Frauen, darunter Krafts Stieftochter Cindy Feliks, angeklagt: was ihn zum schlimmsten Serienmörder Kanadas machen würde. Der schmächtige Junggeselle hat auf unschuldig plädiert. Wegen des gewaltigen Umfangs an Material und Zeugen ist der Prozess in zwei Etappen geteilt worden. Allein der Staatsanwalt will 240 Zeugen befragen. Richter James Williams hatte die Geschworenen im Voraus gewarnt, dass die Beweise "krass und erschütternd" sein werden.

Kritik an Polizei und Justiz

Am Montag wird es zunächst um sechs Morde gehen, jener an Marilyn Krafts Stieftochter Cindy, die mit Prostitution Geld für Drogen verdient hat, ist nicht dabei. "Ich bin maßlos enttäuscht", sagt die 62-Jährige und kritisiert das langsame Vorgehen von Polizei und Justiz.

Als ab 1978 Prostituierte zu Dutzenden vom Straßenstrich im Drogen- und Rotlichtviertel von Vancouver verschwanden, brauchte es den Protest der Medien und Familienangehörigen, bis die Polizei einen Serienmörder als Täter in Betracht zog. Dies, obwohl längst unheimliche Gerüchte über Willy Picktons Schweinezucht und seinen Partyschuppen "Piggy's Palace" (Schweinchenpalast) in Port Coquitlam, rund 45 Autominuten von Vancouver entfernt, die Runde machten.

Verdacht seit 1997

Pickton war bereits 1997 des versuchten Mords an einer Prostituierten beschuldigt worden, nachdem er sie angeblich in Handschellen legen wollte und auf sie einstach. Aber die Anklage wurde fallen gelassen, weil die Zeugin, die entkam, von der Polizei als unzuverlässig eingestuft wurde.

Zu Marilyn Kraft sagte die Polizei, ihre vermisste Stieftochter Cindy sei wohl in die Vereinigten Staaten gegangen. Im Februar 2002 wurde der Schweinefarmer plötzlich verhaftet. Die Polizei hatte illegale Schusswaffen auf Picktons Farm gefunden, und die Beamten fuhren fort, die Gebäude und das Gelände zu durchsuchen. Was sie dort genau entdeckten, darf von den Medien nicht veröffentlicht werden, weil der Richter, der um einen fairen Prozess fürchtet, ein Publikationsverbot verhängt hat. In den folgenden Jahren gruben mehr als 100 Spezialisten die Erde auf der Farm bis zum letzten Krümel um. Im März 2004 warnten die Behörden vor dem Verzehr von Schweinefleisch von Picktons Farm, da es mit menschlichen Überresten kontaminiert sein könnte.

Nach Polizeiangaben wurden DNA-Spuren und Überreste von 26 Opfern auf der Farm gefunden. Auf der Vermisstenliste der Polizei stehen allerdings insgesamt 68 Frauen, viele davon Prostituierte indianischer Herkunft.

Robert Pickton hatte während der Vorverhandlungen in einem schusssicheren Glaskäfig gesessen. Sein schütteres, strähniges Haar war ihm über den Hemdkragen gefallen, er hatte mit wässrigen Augen in die Ferne gestarrt, ohne Augenkontakt mit den Menschen im Gerichtssaal aufzunehmen, manchmal hatte er den Kopf geschüttelt oder gelächelt. Marilyn Krafts Einschätzung steht fest: "Er ist ein sehr grausamer Mensch, er dachte, Prostituierte seien weniger wert als seine Schweine." (Bernadette Calonego aus Vancouver/DER STANDARD-Printausgabe, 23.01.2007)