Arbil - Die jüngste US-Razzia in einem iranischen Regierungsbüro in der nordirakischen Stadt Erbil hat bei der kurdischen Regionalregierung für Verstimmung gesorgt. "Wir erlauben niemandem, auch nicht unseren Freunden, den Amerikanern, hier Spionage zu betreiben", erklärte der Präsident der Autonomen Region Kurdistan, Massud Barzani, am Montag vor österreichischen und internationalen Journalisten in Erbil. Kurdistan sei nicht das Land für irgendwelche Interessen anderer Staaten.

In Erbil habe weder der Iran noch die Türkei Einfluss. Insofern sei man "überrascht gewesen von der Aktion der Amerikaner. Es war "eine falsche Entscheidung, eine falsche Vorgehensweise und nicht das richtige Ziel", sagte Barzani, der auch Chef der Kurden-Partei KDP (Kurdische Demokratische Partei) ist.

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Aus Kreisen des kurdischen Innenministeriums verlautete, man sei über die US-Aktion nicht informiert worden. Die Amerikaner seien mit Helikoptern gekommen und hätten das iranische Konsulat gestürmt. Zu den Gerüchten, unter den fünf festgenommenen Iranern habe sich auch Mohammad Jafari-Sahroudi, ein Hauptverantwortlicher für den Mord an drei iranisch-kurdischen Oppositionellen 1989 in Wien, befunden, hieß es, man kenne die fünf Iraner seit Jahren. Es gebe keine Informationen, dass sich der mutmaßliche Drahtzieher der Kurden-Morde darunter befunden habe. Generell werde sehr genau überprüft, wer sich in der kurdischen Region aufhalte.

Freilassung demnächst erwartet

Der Regierungschef des autonomen Gebietes und Neffe des kurdischen Präsidenten, Nechirvan Idris Barzani, zeigte sich vor österreichischen und internationalen Journalisten überzeugt, dass die festgenommenen Iraner nächste Woche freigelassen würden. Es lägen keine Beweise gegen sie vor.

Diplomatischer äußerte sich Präsident Barzani zum Einsatz kurdischer Peshmerga (Kämpfer) in der Region um Bagdad. Er stellte klar, dass die Truppenteile zur irakischen Armee gehören. Die Letztentscheidung über deren Einsatz außerhalb Kurdistans liege damit bei der Zentralregierung in Bagdad. Insgesamt sollen drei Bataillone kurdischer Peshmerga aus Dohuk, Arbil und Suleimaniya nach Bagdad verlegt werden und dort als Puffer zwischen den rivalisierenden Schiiten und Sunniten agieren. Die erste kurdische Einheit aus Suleimaniya soll bereits am gestrigen Montag aufgebrochen sein.

Berichte über desertierende Peshmerga-Kämpfer

Viele der kurdischen Peshmerga, von denen rund die Hälfte nicht einmal arabisch sprechen, sollen Berichten zufolge bereits desertiert sein. Vielfach wird befürchtet, dass die Kurden damit stärker in die Konflikte zwischen den verfeindeten Schiiten und Sunniten hineingezogen werden. Der irakische Staatspräsident Jalal Talabani ist ebenfalls Kurde und als Chef der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) interner Gegenspieler Barzanis unter den irakischen Kurden.

Die Spannungen weiter aufheizen könnte auch das für Ende 2007 geplante Referendum über die Zukunft der Ölregion um Kirkuk. Die Einwohner sollen dann über die Eingliederung von Kirkuk in die kurdische Autonomieregion abstimmen. In dem Gebiet leben Kurden, Araber und Turkmenen und sie alle erheben mittlerweile Anspruch auf das Gebiet.

Barzani will Referendum

Massud Barzani lässt indessen keine Zweifel an der Zugehörigkeit der Region: "Kirkuk ist kurdisches Land und eine irakische Stadt mit kurdischer Identität." Der Artikel 140 der irakischen Verfassung sei die irakische "Roadmap" für die Lösung" des Konflikts. Das Referendum nicht abzuhalten wäre "eine Katastrophe". Barzani betonte gleichzeitig, dass Kurdistan sich als Teil eines föderalen, demokratischen und pluralistischen Irak verstehe.

Im Nachbarland Türkei tragen solche Versicherungen dennoch nicht zur Beruhigung bei. Ein unabhängiges Kurdistan mit ausreichend Öl hätte enorme Konsequenzen für die Nachbarstaaten Türkei, Syrien und Iran mit ihren eigenen kurdischen Minderheiten.

Die Aussage des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan, die Türkei werde ein kurdisches Kirkuk nicht akzeptieren, nennt Präsident Barzani schlichtweg "Teil einer Wahlkampagne" im Vorfeld der türkischen Parlamentswahlen: "Was immer Erdogan sagt, hat keine Basis in der Realität." Erdogan vergesse, dass Kurdistan nicht mehr Teil des Osmanischen Reiches sei. (APA)