Die EU-Kommission will die Kette aus Unternehmen, die sich zusammengeschlossen haben, durchschneiden.

Montage: Beigelbeck
Brüssel/Wien – Elf Weltkonzerne, darunter die Schweizer ABB, Alstom aus Frankreich, Fuji, Mitsubishi Electric und Toshiba aus Japan und Siemens aus Deutschland und Österreich, haben im Bereich von gasisolierten Schaltanlagen ein Kartell gebildet, das „öffentliche Versorgungsunternehmen und Verbraucher mehr als 16 Jahre lang betrogen hat“, sagte EU-Wettberwerbskommissarin Neelie Kroes am Mittwoch in Brüssel.

Insgesamt wurde gegen die Unternehmen eine Kartellstrafe von 750,7 Millionen Euro verhängt. ABB wurde die Strafe von 215 Millionen allerdings erlassen, weil das Schweizer Unternehmen das Kartell aufdeckte und eine "Kronzeugenregelung" in Anspruch nehmen konnte. Die weitaus höchste Strafe entfiel mit 396,6 Millionen Euro auf den deutschen Siemens-Konzern – die höchste Strafe, die je gegen ein einzelnes Unternehmen von der EU verhängt wurde.

In einer Aussendung weist die EU-Kommission auch ausdrücklich darauf hin, dass Personen und Unternehmen, die durch das Kartell geschädigt wurden, zusätzliche Klagen in den Mitgliedstaaten einbringen können.

Damit könnte auf die Konzerne eine Klagsflut von Stromkonzernen und Verbraucherschützern hereinbrechen, da sich die überhöhten Preise für die Schaltanlagen auch auf die Strompreise ausgewirkt haben könnten.

Gegen die 396,6 Millionen Euro Strafe für den Siemens-Konzern für die Preisabsprachen im Hochspannungsbereich wirken die 22 Millionen Euro, mit denen Siemens Österreich nun durch die VA-Tech-Übernahme zur Kasse gebeten wird, verhältnismäßig klein.

Aus heiterem Himmel hat die Wiener die Strafe aber nicht getroffen, denn beim Kauf der VA Tech im Jahr 2005 waren die Kartelluntersuchungen bereits seit einem Jahr im Laufen – und für allfällige Strafzahlungen wurden bereits rund 20 Millionen Euro rückgestellt.

Diese Vorsorgen hatte noch das alte VA-Tech-Management unter Generaldirektor Erich Becker und Finanzvorstand Roland Scharb vorgenommen. Laut Insidern wurde die Rückstellung durch Siemens auf 30 Mio. Euro erhöht, was Siemens Österreich nun sogar unverhofft einen Buchgewinn von acht Millionen Euro beschert.

Eingehandelt hat sich die VA Tech die Preisabsprachen bei gasisolierten Schaltanlagen, die der Münchner Elektromulti juristisch bekämpfen will, im Wesentlichen mit der Kooperation mit Schneider Electric in Frankreich, mit der VA Tech ein Jointventure gebildet hat.

Bekannte Materie

Pikantes Detail: Mit dem EU-Kartellurteil herumschlagen muss sich bei Siemens Österreich Vorstandsmitglied Georg Antesberger. Ihm sollte die Materie nur allzu gut bekannt sein, war er doch bis Ende 2002 das für den gesamten Energiebereich zuständige Vorstandsmitglied bei der VA Tech. Antesberger wechselte ein Jahr später zu Siemens Österreich.

Der als hauptverantwortlich dargestellte Ex-VA-Tech-Vorstand Klaus Brenner hingegen hat die Agenden Transmission & Distribution erst im Mai 2003 übernommen, nachdem die VA-Tech-Hauptversammlung den Umbau des Konzerns samt Aufstockung des Vorstands auf sechs Mitglieder zugestimmt hatte.

Geschadet haben dürften Siemens Österreich die Preisabsprachen des Stammhauses wohl auch nicht, wenngleich Preise für Hochspannungsschaltanlagen trotzdem gesunken sind und erst in jüngster Zeit wieder anstiegen. (Michael Moravec, Luise Ungerböck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.1.2007)